Was haben Tomaten mit Open Source zu tun? Warum gewährleisten solche Softwares Transparenz, Vertrauen, Wettbewerb (um die besten Ideen), Synergieeffekte und Selbstbestimmung? Ein Gespräch über die Erfolge in der Stadtverwaltung in Dortmund.
Christian Nähle arbeitet sowohl für die Stadt Dortmund als auch für die Do-FOSS (die Dortmunder Initiative für Freie und Open-Source-Software). Er ist von den Vorteilen Freier und Open Source Software überzeugt und erzählt, wie man komplizierte technische Themen anhand von Tomaten und Saatgut erklären kann und welche konkreten Vorteile der Einsatz von Freier und Open Source Software in der Verwaltung hat.
Im Dezember 2022 beschloss der Rat der Stadt Dortmund einstimmig die Einrichtung einer Koordinierungsstelle „Digitale Souveränität und Open Source“. Damit dient die Stadt als Vorbild für die Einführung solcher Software in der Verwaltung und als Referenzpunkt für ein breites Netzwerk von Städten.
Podcast mit:
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Emily Thomey: Radiojournalistin und Redakteurin vom Audiokollektiv
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Christian Nähle: Stadt Dortmund und Dortmunder Initiative für Freie und Open Source Software
Diese Podcastreihe wurde im Rahmen des Verbundprojektes„Wirtschaften mit Zukunft“ konzipiert: https://www.boell.de/de/wirtschaften-mit-zukunft
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Heinrich-Böll-Stiftung NRW: https://www.boell-nrw.de/de
Free Software Foundation: https://fsfe.org/news/2022/news-20221215-02.de.html
Do-Foss: Dortmunder Initiative für Freie Software: https://waswirtunkoennen.jetzt/2023/05/09/freie-software-fuer-dortmund/
Transkript:
Intro: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Reihe „Böll Regional“, in der wir euch Projekte aus verschiedenen Bundesländern vorstellen.
Diese Staffel dreht sich um die Frage nach dem Wirtschaften mit Zukunft. Wir werden dabei Projekte und Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen präsentieren, die uns Wege zu einem nachhaltigen Wirtschaften zeigen.
Emily Thomey: Ich bin Emily Thomey vom Audio-Kollektiv und heute schalten wir in Regional nach Dortmund, um mit Christian Nähle über Open Source in der Kommune zu sprechen. Produziert wird diese Folge in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung NRW. Christian und ich, wir haben uns in Vorgesprächen so ein bisschen kennengelernt und duzen uns daher. Er sitzt in Dortmund in seinem Arbeitszimmer und ich sitze in Berlin im Wedding, in meinem Arbeitszimmer. Hallo Christian, kannst du dich zu Anfang vielleicht einfach mal kurz vorstellen? Also für wen arbeitest du eigentlich? Und was ist deine Rolle in der Dortmunder Kommune, wenn es um Open Source geht?
Christian Nähle: Ich habe verschiedene Herzen in meiner Brust schlagen. Ich erwerbsarbeite tatsächlich für die Stadt Dortmund, für die Kommunalverwaltung und kenne daher die Bezüge zur Kommunalwelt. Und ich habe aber ehrenamtlich auch eine Rolle bei dem Vorsitz der „Dortmunder Initiative für Freie und Open Source Software“ mache da die Geschäftsführung. Das heißt, da laufen so die organisatorischen Bedarfe bei mir zusammen. Dadurch bin ich auch unheimlich nah an diesem Thema dran. Und wir versuchen als Initiative, die Ideen von Freier Software, von Open Source Software in die Kommunalwelt zu integrieren. Und weil das beides dann so nah beieinander liegt, passen diese beiden Herzen auch gut in meine Brust.
Emily Thomey: Bei Open Source, da glaube ich, haben wir schon viele Leute verloren, weil man nicht unbedingt weiß, was ist das eigentlich Open Source Software? Das ist nicht so leicht zu greifen. Software, ich glaube, damit können viele was anfangen, weil wir die ja alle auf unseren Handys oder unseren Computern haben. Das sind ja im Prinzip die Programme, die da drauf laufen. Also bei Handys sind es die Apps, wie sie genannt werden. Aber was genau Software bedeutet, und was eben auch Open Source Software bedeutet, oder freie Software ist, das ist ja jetzt erst mal nicht so leicht greifbar. Und ich finde das ganz wunderbar, wie ihr das gelöst habt. Ihr habt ja ein Maskottchen, eine Tomate als Vergleich. Um so ein bisschen besser zu verstehen, was heißt das, Open Source? Vielleicht kannst du das einmal erklären, was diese Tomate jetzt damit zu tun hat?
Christian Nähle: Ja, gerne. Das muss man ja auch erst mal zusammenbringen. Software und Tomaten denkt man ja häufig nicht gemeinsam. Und ist es so, dass die Tomate eine biologische Ebene hat, natürlich mit ihrem Saatgut. Und dieses Saatgut, das gehört uns im Wesentlichen nicht mehr heutzutage. Es ist sogenanntes Hybridsaatgut, das heißt, es ist entweder nur einmal keimfähig oder vielleicht auch gar nicht mehr keimfähig. Und das heißt, dass ich als jemand, der anbauen möchte, als Landwirt zum Beispiel immer wieder neu Saatgut von einem Saatguthersteller beziehen muss. Da entsteht dann natürlich eine soziale Abhängigkeit, wenn ich als Landwirt immer wieder neu Saatgut einkaufen muss. Und mit dem Hybridsaatgut erleben wir auch eine unheimliche Einschränkung der ökologischen Vielfalt, weil ein Unternehmen, ein Konzern, nur ein gewisses Portfolio der tatsächlichen Biodiversität in seinem Leistungskatalog hat. Also er managt nur so einen gewissen kleinen Ausschnitt der tatsächlichen Biodiversität. Es gibt tausende von Tomatensorten. In Deutschland sind nur eine Handvoll zugelassen. Das zeigt uns schon diese starke Diskrepanz. Also wir haben eine soziale Abhängigkeit, wir haben eine ökologische Einschränkung und eine dritte Dimension kommt auch noch hinzu, nämlich, dass das Wissen um die Saatgutvermehrung zunehmend verloren geht. Das sind ja traditionell die landwirtschaftlichen Höfe und jetzt findet das in Labors von sonst irgendwelchen Konzernen statt. Diese drei Dimension kann man über das Hybridsaatgut erst mal gut ansprechen.
Emily Thomey: Ja und diese drei Dimensionen, die beziehen sich ja dann quasi, wenn ihr das als Maskottchen, als Vergleichsobjekt nehmt, auch auf Software, auf Open Source Software, das quasi, wenn ich das richtig verstanden habe, die Software vergleichbar ist mit der DNA der Tomate.
Christian Nähle: Genau. Bei dem Hybridsaatgut ist sozusagen die DNA der Tomate nicht mehr zugänglich. Und im Softwarebereich ist das so ähnlich. Da ist uns dann der Quellcode nicht zugänglich, bei sogenannter proprietärer Software. Proprietär - das klingt so ein bisschen fremd, aber es erinnert uns auch so ein bisschen an das englische „Property“, also Eigentum, proprietär im Eigentum von jemandem befindlich. Und das Eigentum wird eben primär dadurch auch ganz praktisch durchgesetzt, dass der Quellcode nicht offen ist, nicht open ist, also das Gegenteil von Open Source ist. Und bei der Tomate, aber auch bei der Software, sattelt dann noch mal eine Ebene obendrauf, nämlich die rechtliche Ebene, die das dann auch festschreibt. Bei der Tomate ist es so, dass auch Saatgut lizenziert ist, weil es proprietär ist im Eigentum von jemandem, der sagt „Ja, du darfst dieses Saatgut anbauen, aber du darfst es nicht versuchen zu vermehren oder zu verändern.“ Und bei der Software ist das so ähnlich, weil die Lizensierungsfrage auch da eine Rolle spielt. Also Open Source Software ist eben Open Source lizensiert. Das heißt, ich darf die Software verwenden, verstehen, verbreiten und verbessern. Und wenn ich das nicht darf, vielleicht habe ich Möglichkeiten, es auch trotzdem zu tun. Aber dann bin ich natürlich in einer rechtlich schwierigen Lage, weil ich dann mit dem Eigentum von jemand anderem in einer Weise umgehe, wie der mir das gar nicht erlauben würde. Und deshalb ist es so wichtig, den Menschen auch die Erlaubnis zu geben, mit ihrer Umgebung umgehen zu dürfen. Im Digitalen- wie auch im Ernährungsbereich.
Emily Thomey: Bei der Tomate finde ich das total einfach zu verstehen. Du hast auch schon die Auswirkungen von Hybridsaatgut aufgezählt, also dass man da eben in eine bestimmte Abhängigkeit kommt, weil man halt immer wieder Saatgut kaufen muss, dass die Vielfalt eingeschränkt ist und, dass auch das Wissen behalten wird von jemandem und jetzt nicht verbreitet werden kann und nicht einfach genutzt oder verändert oder vermehrt werden kann. Und wie ist es denn in Bezug jetzt vielleicht auch an einem konkreten Beispiel von einer Software in Dortmund nutzt, die Open Source ist und was hat das dann für positive oder eben auch negative Auswirkungen, wenn man das nicht benutzen könnte? Wenn es eben nicht eine Open Source Software wäre?
Christian Nähle: Na ja, man behandelt Software, wenn sie proprietär ist, wie einen realen Gegenstand. Erstmal ist es so, dass Software dann von Unternehmen eingekauft werden muss. Das heißt, Einkaufen ist so ein leicht irreführender Begriff an der Stelle. So ist aber die Wahrnehmung häufig. Man kauft eine Software ein, dabei ist es ja tatsächlich in der Regel nur so, dass sie geleast wird. Also ich habe für eine begrenzte Zeit eine Nutzungserlaubnis für diese Software, weil ich dafür entsprechende Lizenzgebühren zahle. Ich habe aber keine Anrechte darauf zu wissen, wie die Software die Daten tatsächlich verarbeitet. Wenn ich jetzt ein Programm bei mir ausführe, dann sehe ich vielleicht eine Bildschirmausgabe und habe so einen Eindruck davon, was die Software macht. Aber ich kann keine tatsächliche Qualitätsaussage darüber treffen, wie die Software die Daten im Hintergrund verarbeitet. Wir kennen das von vielen Apps mittlerweile aus dem Alltag, wo wir auch ein starkes Misstrauen haben, welche Daten die Apps über uns eigentlich alle einsammeln und weiterschicken. Bei vielen Apps fragen wir uns ja zum Beispiel, warum braucht diese App jetzt einen Zugriff auf unser Mikrofon? Ich will ja gar nicht sprachlich mit dieser App arbeiten. Und solche Dinge hat man viel im Hintergrund. Und es wird von Apps und auch von anderen Softwarelösungen viel nach Hause telefoniert. Und um da aber eine tatsächliche Qualitätsaussage drüber tätigen zu können, muss ich natürlich wissen, wie die Software funktioniert. Und das kann ich nur machen, wenn ich die Einsicht in diesen Quellcode habe. Und aufgrund der Komplexität der Programme kann ich häufig als einzelne Person eine Software gar nicht auditieren. Sondern da ist es gut, dass die Software dann offenliegt und viele Menschen sich damit befassen können und auch vor allen Dingen nicht eingeschränkt werden, dass der Personenkreis nicht eingeschränkt ist, der die Software auditieren kann, sondern dass es allgemein öffentlich zugänglich ist. Und bei einer Kommunalverwaltung ist es natürlich so, dass da extrem viele sensible Daten zusammenlaufen und wir heute als Bürgerschaft, als Öffentlichkeit, auch als Politik gar nicht mehr sagen können, wie wir die Kontrolle über unsere digitale Infrastruktur ausüben können wollen, wenn uns die faktisch gar nicht zugänglich ist und die uns auch nicht gehört. Und das ist der Punkt, wo die Frage der digitalen Souveränität ansetzt.
Emily Thomey: Jetzt hast du natürlich da ganz, ganz viele Punkte zusammengefasst, schon was so Vor- und Nachteile sind an Open oder eben nicht freier Software. Hast du so ein Beispiel, also eine Software, die ihr nutzt, die als Open Source Software funktioniert, wo viele Menschen dran arbeiten, woran ihr die ihr weiterentwickelt, sodass man einfach mal zumindest ein Beispiel hat?
Christian Nähle: Open Source liegt uns im öffentlichen Dienst und auch im Unternehmensbereich deutlich näher, als man das vielleicht erstmal denken würde. Denn Open Source hat einen sehr hohen Verbreitungsgrad im Hintergrund, im Server Bereich zum Beispiel. Also im Bereich, der mehr als Endnutzer, der vor seinem Bildschirm sitzt und jetzt in der Verwaltung zum Beispiel Briefe schreibt, erst mal gar nicht sichtbar ist, gar nicht zugänglich ist. Wenn wir uns Open Source Software aus dem öffentlichen Dienst wegdenken würden, oder wie gesagt, auch auf den Unternehmensbereich, dann würden diese Organisation sicherlich zusammenbrechen. Man hat das im Desktopbereich noch nicht unbedingt so stark verbreitet, da kennt man eben bekannte Produkte von Microsoft, zum Beispiel Microsoft Windows, Microsoft Office, die ja auch enorm hohen Verbreitungsgrad haben und die uns eben nicht gehören und die auch immer mehr darauf angewiesen sind, dass sie einen Zugang haben zu einem Microsoft-Server und sich da auch mit den Daten austauschen. Was ja die deutschen Datenschutzbehörden absolut alarmiert, weil wir eben keine Qualitätsaussage darüber machen können, wie da die Beschäftigten, die diese Produkte bedienen dann auch überwacht werden oder wie vielleicht auch Daten von BürgerInnen ausgeleitet werden. Das gilt es also im Sinne des Datenschutzes, der informationellen Selbstbestimmung, unbedingt aufzuklären und auch dann zu unterbinden, wenn solche Ausleitungen von Daten stattfinden. Und ein konkretes neues Beispiel aus der Stadt Dortmund ist zum Beispiel, dass wir jetzt im Oktober eine Open Smart City App veröffentlichen. Und wie der Name schon sagt, ist die auch aufgebaut auf Open Source Technologien. Und das hat nicht nur Gründe der Transparenz, sondern das hat auch Gründe der interkommunalen Zusammenarbeit, also einer Frage der Ressourcenteilung zwischen den Kommunen, einer Arbeitsteilung. Das ist sowieso gut, wenn man Strukturen hat, die es ermöglichen, dass Menschen miteinander arbeiten können. Das macht der Open-Bereich ja gerade möglich, dass Menschen auch miteinander kollaborieren können. Das ist aber auch gut in Zeiten, wo die Ressourcen immer knapper werden und immer umkämpfter werden, dass wir da zu höherwertigen Organisationsmodellen kommen, um dann auch sinnvoll mit den knapperen Ressourcen, oder auch insgesamt sinnvoll mit Steuergeldern umgehen zu können.
Emily Thomey: Jetzt will ich natürlich wissen, was diese Smart City App kann.
Christian Nähle: Ja, ich bin da stolzer Nutzer gerade. Das ist sozusagen eine komprimierte Homepage, wo die wesentlichen Funktionen, wo man wie ich jetzt als Bürger zum Beispiel mit meiner Kommunalverwaltung in Kontakt treten möchte und da Services abrufen kann von Kleinigkeiten - Wann kommt die Müllabfuhr eigentlich? Wann wird welche Tonne bei mir abgeholt? Ich kann Mängel melden, zum Beispiel wenn ein Straßenloch entstanden ist bei mir in der Ecke, und ich sag „hat das eigentlich schon jemand gesehen?“ Dann kann ich das direkt an die Stadtverwaltung melden, das Foto machen, kurz einen Text dazu schreiben und dadurch zu kürzeren Kommunikationswegen mit der Stadtverwaltung kommen. Und ich verpasse natürlich dank der App auch keine für mich interessanten Events mehr in der Stadt. Denn eine Stadt wie Dortmund, eine Großstadt, die hat natürlich ein unheimlich großes Leistungsportfolio. Hier gibt es viel zu erleben, ist auch einen Besuch wert und als Mensch kann ich hier auch gerne leben. Und die App hilft mir dabei, mich noch besser in meiner Stadt zu orientieren.
Emily Thomey: Wenn jetzt eine andere Stadt, eine andere Kommune auf die Idee kommt, das auch zu versuchen, mehr mit Open Source Software zu arbeiten, euch quasi ein bisschen nachahmen will, was wären dann so konkrete erste Schritte, die diejenigen machen müssten? Oder gibt es vielleicht sogar auch schon in einem anderen Bundesland ähnliche Projekte und ihr arbeitet zusammen?
Christian Nähle: Ja, es gibt verschiedene Bewegungen in unserer Republik zu Open Source. Wir haben diesen Begriff der digitalen Souveränität seit 2019 prominent in der öffentlichen Debatte. Der wurde vom Bundesinnenministerium nach vorne gestellt und darüber ging es dann auch an den Deutschen Städtetag. Und es gibt auch eine Organisation im Kommunalbereich, die heißt „Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement“. Das ist, wenn der Deutsche Städtetag die politische Vertretung ist, ist die KGSt, so die Abkürzung für die kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement, ist der Fachverband. Und die KGSt hat mit einer ungefähr 40-köpfigen Schreibgruppe, ich durfte Teil davon sein, ein erstes Referenzwerk für den Einsatz von Open Source in Kommunen für mehr digitale Souveränität verfasst. Das war vor zwei Jahren und dieser Bericht, der wird jetzt einen Folgebericht erhalten, der die Frage nach einer „Open Source Governance“ stellt. Also welche Instrumente brauche ich überhaupt in der Verwaltung, um dieses Thema Open Source greifen zu können? Und es sind zum Beispiel Fragen des Vergaberechts damit verknüpft: Wie schreibe ich Vergaberechtskonform Open Source Dienstleistungen oder Open Source Software aus? Das muss eine Organisation wie eine Kommunalverwaltung natürlich wissen. Wir brauchen sozusagen einen Handlungsrahmen, und das sollte diese Open Source Governance jetzt beschreiben. Und wir in Dortmund hier, aufgrund eines einstimmigen politischen Beschlusses, das einstimmige betone ich auch gerne, weil es eine Kontinuität verspricht. Gerade bei technischen Projekten, die ja nicht innerhalb einer Wahlperiode auch abzuschließen sind, dass das also darüber hinaus auch Bestand hat, das ist ganz wichtig. Aufgrund eines einstimmigen Beschlusses wurde hier in Dortmund die sogenannte Koordinierungsstelle Digitale Souveränität und Open Source eingerichtet. Also eine Stelle, die dieses Thema jetzt in der Verwaltung bewegen soll, und damit die das sinnvoll bewegen kann, braucht die natürlich auch eine Idee von einer Governance. Das fällt zeitlich gerade günstig zusammen und es ist auch die Frage, wie wird dieses Wissen jetzt um die Governance eigentlich pilotiert? Wie wird die hier in Dortmund institutionalisiert? Und über die KGSt gibt es die Möglichkeit, das auch für die anderen Kommunen zurück zu spiegeln, um dann gemeinsam weiterzukommen an der Stelle. Und das ist gerade eine spannende Entwicklung.
Emily Thomey: Das heißt, die KGSt ist eigentlich schon ein ganz guter Anlaufpunkt, wenn man sich informieren möchte, wie man da voranschreiten kann. Was sind das denn für Fehler vielleicht, die ihr gemacht habt, die andere vielleicht vermeiden können, von denen du erzählen magst.
Christian Nähle: Also wir als „Do-FOSS“, wir sind ja eine Initiative der Zivilgesellschaft, die dieses Thema hier in der Stadtgesellschaft, in der Politik und in der Verwaltung voranbringen wollte. Das machen wir jetzt seit ungefähr zehn Jahren, insofern gibt es da auch viele Geschichten zu erzählen, von tollen Erfolgen, aber auch von Rückschlägen. Das haben wir seit zehn Jahren bei uns im Blog auch Do-FOSS.de dokumentiert. Aber die Stadtverwaltung, die das Thema jetzt in dieser Zeit auch aufgegriffen hat, da würde ich sagen, die hat im Moment erst mal keine Fehler gemacht, weil die aufgrund dieses Dialogs, den wir damit begleitet haben, jetzt diese Stelle institutionalisiert hat, auch sehr hochrangig, sehr wertig in der Verwaltungshierarchie aufgehangen hat. Die Stelle ist noch in der Ausschreibung gerade, die muss besetzt werden. Und da würde ich sagen, ist die Kommunalverwaltung gerade erst mal sehr gut aufgestellt. Und ich hoffe, dass sich da jetzt die Vernetzung auch mit anderen Kommunen entwickelt. Und eine spannende parallele Entwicklung dies auch gibt, ist das zwischen Bund und Ländern eine GmbH gegründet wurde und die heißt „ZenDIS“, und das ZenDIS steht für das „Zentrum für digitale Souveränität“. Also auch auf Bundesebene ist da viel entstanden und das ZenDIS wird in Bochum angesiedelt, also in unserer Nachbarstadt. Und insofern kann man in Zukunft sagen: digitale Souveränität made in Ruhrgebiet. Das gefällt mir als Dortmunder natürlich ganz gut. Und diese Strukturen entstehen gerade, und das ist erst mal vielversprechend, weil die Erkenntnisse, aus denen sie entstehen, die haben ein starkes Fundament. Und da bin ich gespannt, was jetzt die Zukunft bringt.
Emily Thomey: Schön. Es geht ja in diesem Böll.Regional um die Frage nach einem Wirtschaften mit Zukunft. Wo würdest du denn sagen, ist euer Beitrag für dieses zukunftsorientierte Wirtschaften?
Christian Nähle: Wenn wir von Open Source Software sprechen, von freier Software, dann geht es da ganz stark um einen Wettbewerb der Ideen. Weil ich kann ja sehen, wie die Funktionalität einer Software programmiert wurde und das kann elegant gelöst sein, das kann aber auch umständlich gelöst sein. Die Idee ist natürlich immer, das möglichst elegant zu lösen, und das ist eine andere Art der Idee von Wettbewerb, als wir das im Moment haben, weil im Moment haben wir einen sehr exklusiven Wettbewerb. Das heißt, ich versuche, andere auszuschließen, indem ich einen Wissensvorsprung geltend mache und den auch schütze, indem ich den Quellcode nicht offen lege, indem ich restriktive Lizenzen anwende und mein Wettbewerbsvorsprung dann über diese Exklusivität eben sichere. Und das ist eine andere Idee von Wirtschaften und das macht es gemeinwohlorientierter, weil ich nicht mehr nur als stärkster Marktteilnehmer versuche, mich durchzusetzen, sondern ich tatsächlich an der Sache entlang argumentieren muss. Und das finde ich eine schöne Vorstellung. Und ich beanspruche im Sinne der Kommunalverwaltung kein Stück Infrastruktur mehr für mich, weil ich sage, diese Funktionalität, die kann nur ich bereitstellen und mache damit ja auch die Öffentlichkeit von meiner Dienstleistung abhängig.
Emily Thomey: Danke dir, Christian Nähle, für das Gespräch.
Christian Nähle: Danke dir auch, Emily. War ein schönes Gespräch für mich.
Emily Thomey: Mach’s gut.
Christian Nähle: Tschau.
Emily Thomey: Diese Folge wurde vom Audio-Kollektiv produziert, im Auftrag der Heinrich Böll Stiftung NRW.
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