In unserer neuen Ocean Five Aktuell-Folge dreht sich alles um das viel diskutierte Vorhaben Nationalpark Ostsee in Schleswig-Holstein. Hierzu sprach unser Ocean Five Podcasthost Max Nettlau im Juli 2023 mit dem schleswig-holsteinischen Umweltminister Tobias Goldschmidt. Wie der aktuelle Stand ist, inwiefern der Nationalpark Wattenmeer als Vorbild dienen kann, welche Rolle eine gute Kommunikation spielt, warum Inspiration und Frustration häufig nahe beieinander liegen, wie Goldschmidts Vision nach einer möglichen Umsetzung aussieht, ob es, wie häufig auf verschiedenen Ebenen behauptet, massive Einschränkungen für den Wassersport geben soll, – das und vieles mehr, erfahrt ihr hier in diesem Beitrag zum Nachlesen – oder im Original Ocean Five Audio-Interview zum Nachhören.
Max: Moin Tobias. Erst einmal schön, dass du dir in deinem ja doch stressigen Alltag hier die Zeit genommen hast, im Ocean Five Podcast dabei zu sein. Herzlich willkommen!
Tobias Goldschmidt: Moin Max, freut mich auch.
Max: Viele der Zuhörer*innen werden dich vermutlich schon kennen, für diejenigen, die das nicht tun, magst du dich einmal vorstellen. Wer bist du und was machst du?
Tobias Goldschmidt: Ich bin Tobias Goldschmidt. Ich bin der Minister für Klimaschutz, Energiewende, Natur und Umwelt in Schleswig-Holstein.
Max: Genau, auf jeden Fall gut zu wissen, dass es hier um Schleswig-Holstein geht und wir jetzt nicht mit Robert Habeck sprechen. Du bist auch tatsächlich schon der zweite Umweltminister von Schleswig-Holstein, den wir jetzt hier beim Ocean Five Podcast begrüßen können. Nimm uns doch bitte mal mit auf deine Arbeit. Gibt es für dich so eine Art normalen Tag und wenn ja, wie sieht er aus?
Tobias Goldschmidt: Nein, jeder Tag ist anders, aber jeder Tag hat auch ein paar Konstanten. Es geht irgendwie immer um die Themen Umweltschutz und Klimakrise, die inzwischen überall reinspielt. Darüber diskutiere ich mit vielen verschiedenen Leuten im Land. Mit Leuten, die die Natur schützen wollen, Leuten, die die Natur nutzen wollen. Aber ich diskutiere es natürlich auch in den Gremien der Landesregierung, das heißt im Kabinett, aber auch im Landtag. Und viele Dinge, die wir als Ministerium machen, müssen ja auch gut besprochen werden. Also auch intern arbeite ich mit einer großartigen Verwaltung zusammen, die sich um die Themen kümmert in Schleswig-Holstein.
Über die generelle Bedeutung von Meeresschutz
Max: Unser heutiges Thema ist jetzt ja der Nationalpark Ostsee. Da kommen gleich noch detaillierter drauf zu sprechen. Wir bleiben jetzt aber erst mal bei einem relativ allgemeinen Thema, und zwar dem Thema Meeresschutz. Vor lauter Problemen, die jetzt in den Weltmeeren immer größer werden, wie beispielsweise der Bau von Infrastruktur – wir haben hier jetzt in Schleswig-Holstein den Bau des Fehmarn-Belt-Tunnels, die Diskussion um CCS, also Kohlenstoffverpressung (Anm.d.Red. Siehe Ocean Five Staffel 5)– zudem haben wir Probleme mit Überfischung, Eutrophierung, Plastikeinträgen in die Weltmeere und ich glaube, wir könnten jetzt noch viele weitere Dinge aufzählen… Daher ist meine Frage: Inwiefern ist Meeresschutz in der Praxis eigentlich überhaupt umsetzbar?
Tobias Goldschmidt: Der Schutz der Meere erfordert einen großen Einsatz, denn die Meere haben ja im Vergleich zu den Flächen, die wir an Land haben, einen Nachteil, und das ist, dass wir als Bevölkerung sie meistens nur aus der Ferne kennen. Die meisten Menschen verbinden mit den Meeren ja einfach etwas Schönes. Das blaue Schimmern der Ostsee, der Urlaub, das Liegen am Strand, das sind ja tolle Erfahrungen und Erinnerungen, die das Leben auch bereichern.
Aber dieser schöne Blick auf die Meere verstellt manchmal den Blick auf das, was unterhalb der Oberfläche stattfindet und da findet ja ein stilles Sterben statt infolge vieler verschiedener Entwicklungen – Nährstoffeinträge, Erhitzung, industrielle Vorhaben,… – und das kriegt man gar nicht so mit. Das heißt, das Werben für den Meeresschutz und der Einsatz für den Meeresschutz ist umso wichtiger. Wenn wir an Land sehen, wie sich die Landschaft verändert infolge von Hitzestress oder während wir sehen, dass die Klimakrise Ortschaften verwüstet, Katastrophen herbeiführt, sieht man eben diese Veränderungen in den Meeren weniger häufig und hat sie weniger im öffentlichen Bewusstsein. Deswegen ist der politische Einsatz für den Meeresschutz umso wichtiger.
Der schöne Blick auf die Meere verstellt manchmal den Blick auf das, was unterhalb der Oberfläche stattfindet und da findet ja ein stilles Sterben infolge vieler verschiedener Entwicklungen statt. (…) Das heißt, das Werben für den Meeresschutz und der Einsatz für den Meeresschutz ist umso wichtiger.
Tobias Goldschmidt
Max: Ja, was man an Land sieht, zum Beispiel denken wir mal ans Ahrtal, das sind ja Konsequenzen des Klimawandels, die wirklich jedem vor Augen zu führen sind. Gibt es aus deiner Erfahrung auch irgendwie ein Mittel, sowas dann auch für die Meere zu verbildlichen?
Tobias Goldschmidt: Ja, man kann es verbildlichen, indem man immer wieder darüber spricht. Ich meine, viele Arten sind einfach so selten und so klein, dass es wirklich nur mit ganz viel Bildung und Veranschaulichung in Meeresinformationszentren zum Beispiel funktioniert. Aber andere Arten, da ist es leichter, wenn wir zum Beispiel darüber reden, dass die Schweinswale einfach in schlechtem Zustand sind, die selten überhaupt noch das Alter der Geschlechtsreife erreichen, dann ist das etwas, worunter man sich etwas vorstellen kann oder auch unter Themen wie Munitionsaltlasten im Meer, dass das sozusagen auch dazu führt, dass Gifte sich im Meer anreichern, das sind Themen, die man schon vermittelt bekommt und die man erläutern kann. Aber keines dieser Themen hat den großen Wumms und den großen Knall sowie die Katastrophen, die wir jetzt jeden Tag in den Tagesthemen sehen, rund um den Globus, die sich aus der Klimakrise ergeben. Aber die Katastrophe in den Meere ist an sich mindestens genau so groß, sie ist nur nicht so laut.
Keines dieser Themen hat den großen Wumms und den großen Knall sowie die Katastrophen, die wir jetzt jeden Tag in den Tagesthemen sehen, rund um den Globus, die sich aus der Klimakrise ergeben. Aber die Katastrophe in den Meere ist an sich mindestens genau so groß, sie ist nur nicht so laut.
Tobias Goldschmidt
Max: Dazu passt ja auch die Aussage „Klimaschutz ist Meeresschutz – und Meeresschutz ist Klimaschutz,“ weil sich das ja alles bedingt und sowohl global als auch national tut sich ja nun auch was. Im Juni diesen Jahres, also 2023, haben sich die UN-Mitgliedsländer erstmals auf ein Abkommen zum Schutz der Weltmeere geeinigt. Seit September 2022 hat das Bundesumweltministerium mit der Stelle von Sebastian Unger erstmals einen Meeresschutzbeauftragten, und kürzlich wurde auch das EU-Gesetz zur Renaturierung verabschiedet, welches eben auch Meeresgebiete mit einbezieht. Um jetzt wirklich effektiven Meeresschutz leisten zu können. Was bräuchte es denn für politische Rahmenbedingungen, die jetzt vielleicht noch darüber hinausgehen?
Tobias Goldschmidt: Also man muss sagen, dass das alles Sachen sind, die richtig gut sind. Wenn es auf internationaler Ebene eine Verständigung gibt über mehr Meeresschutz, auch mehr starken Meeresschutz, dann ist das gut, weil sich dann niemand rausreden kann, dass erst mal ein anderer die Meere schützen muss. Das ist ja so ein klassisches Thema, was wir in der Umweltpolitik immer wieder haben. Man möchte etwas voranbringen, und dann wird gesagt aber was ist mit den Anderen, was machen die denn? Und aus diesem Dilemma hilft uns so ein internationales Abkommen natürlich ein Stück weit raus. Und auch die Stärkung des Themas Meeresschutz durch einen Beauftragten für den Meeresschutz mit Sebastian Unger, ein toller Typ, der das Thema wirklich auch verkörpert, ist gut. Und auch das Renaturierungsgesetz auf EU-Ebene, das muss kommen und das wird uns auch helfen.
Trotzdem ist es so, dass wir, wenn wir über Meeresschutz sprechen, ja als Land häufig auch an der Front sind direkt an dem Zwiespalt von Nutzerinteressen und Schützerinteressen, und da brauchen wir natürlich auch Hilfe und auch vom Bund zum Beispiel, und auch Unterstützung in der Auseinandersetzung, und gute Argumente. Und gute Argumente ergeben sich dann, wenn man eben deutlich machen kann, was Meeresschutz denn ganz konkret auch für Nutzen stiftet. Wir reden zum Beispiel über Renaturierung im Sinne von Wiederanlegen von Seegraswiesen, das hat ja einen mehrfachen Nutzen für die Natur, für den Nachwuchs bestimmter Tierarten, aber auch zur Bewältigung der Klimakrise. Und wenn wir das gut kommuniziert bekommen, dann kann daraus auch so ein Chancen-Projekt für die ganze Gesellschaft werden, das kann man dann nur gut finden und es hilft uns dann die hehren Ziele, die international gesetzt sind auch umzusetzen.
Max: Du hast es ja gerade eben schon gesagt, die Politik kann letztendlich ja die Rahmenbedingungen geben, aber vermutlich auch nicht alles alleine regeln. Was braucht es denn außerhalb der Politik, um Meeresschutz wirklich effektiv umsetzen zu können?
Tobias Goldschmidt: Na ja, es braucht Akteursnetzwerke, Umsetzungsallianzen für den Meeresschutz. Da wo sich Menschen zusammentun, um die Natur zu schützen, die Ökosysteme resilienter zu machen, das Immunsystem der Meere zu stärken und in diesen Netzwerken sollten immer auch Nutzerinnen und Nutzer mitgedacht sein. Wenn wir über Meeresschutzgebiete sprechen, weiß ich, dass es Projekte gibt, wo Fischerinnen und Fischer, die eben nicht mehr genug Brotfisch finden in der Ostsee und sich mit dem Gedanken tragen, aufzuhören, dann zu Rangern werden und den Menschen helfen, die Natur zu erleben, und Umwelt Monitoring zu machen. Das heißt, es geht ja nicht darum beim Meeresschutz irgendwie die Menschen von den Meeren wegzuhalten, sondern einen nachhaltigeren Umgang zu finden und diese Akteursnetzwerke, die bilden sich am besten aus der Zivilgesellschaft raus und werden nicht von der Politik aufgestellt. Das ist etwas, was Politik an der einen oder anderen Stelle nicht leisten kann. Wir können Rahmenbedingungen geben. Ich diskutiere ja gerade über einen Nationalpark in der Ostsee, aus meiner Sicht wäre das eine perfekte Rahmenbedingung dafür. Aber Meeresschutz braucht eben viele Hände, eben auch die aus der Zivilgesellschaft.
Vorhaben Nationalpark Ostsee
Max: Ja, absolut richtig. Nun hast du das Schlagwort gerade eben schon selbst genannt: Nationalpark Ostsee. Das Thema ist jetzt seit einigen Monaten medial wirklich sehr präsent, wie ich persönlich finde, teilweise auch emotional sehr geladen. Die Planungen für so ein Schutzgebiet in der Ostsee laufen unter der Leitung deines Umweltministeriums. Wie bist du oder wie seid ihr überhaupt eigentlich auf die Idee gekommen, den Nationalpark Ostsee hier in Schleswig-Holstein etablieren zu wollen?
Tobias Goldschmidt: Na, erst mal diskutieren wir gerade noch über das „Ob“ und dann über das „Wie“. Wir sind also in einer frühen Phase einer Konsultation, so nennen wir das. Konsultation birgt ja Beratung. Das machen wir mit den Nutzerinnen und Nutzern der Ostsee in dem Fall aber auch mit den Schützerinnen und Schützern. Und die Idee ist nicht von mir, sondern die ist immer wieder gekommen, und wurde immer wieder von verschiedene Akteur*innen auch an mich rangetragen. Ich fand sie sehr faszinierend, weil die Probleme der Ostsee sind einfach unfassbar groß und vielfältig. Das ist ja nicht ein Problem, was die Ostsee hat, sondern es ist ein ganzes Potpourri an Problemen. Und Schleswig-Holstein sollte dazu einen Beitrag leisten, diese Probleme anzugehen.
Das heißt, dass der Lösungsansatz ein großer sein muss. Und Nationalparke sind ein großer Lösungsansatz, gerade für den Naturschutz auf See. Er löst nicht alle Probleme, aber er stellt das politische Scheinwerferlicht auf einen bestimmten Raum, in dem Fall auf die Ostsee, und kann dazu beitragen, Bewusstsein zu schaffen für die vielen Probleme, Akteursnetzwerke zu schaffen, wie die Ostsee besser geschützt werden kann. Da gibt es dann einen großen Bereich, der der Natur vorbehalten ist, auch kein Bereich, wo der Mensch ausgeschlossen ist, aber wo eben der Naturschutz Vorrang hat und dann gibt es ein verbessertes Umwelt Monitoring.
In Wirklichkeit wissen wir viele Dinge über die Ostsee noch nicht so gut, wie wir sie zum Beispiel über die Nordsee wissen, wo wir schon einen Nationalpark haben. Es gibt dort Schutzgebietsbetreuung durch Umweltverbände zum Beispiel, aber auch durch Akteure, die nicht den Umweltverbänden angehören. Und es gibt dort eine einheitliche Verwaltung. Vieles im Meeresschutz wäre besser, wenn wir klaren Vollzug hätten, wenn wir uns auch von Verwaltungsseite besser um die Meere kümmern würden und um die Einhaltung von Recht und Gesetz dort. Ja, das wäre also ein großer Ansatz, der für mich eigentlich ein Sack voller Chancen für die Ostsee wäre. Wir diskutieren darüber intensiv. Veränderungen erfordern immer viele Erklärungen und das machen wir gerade.
Max: Du hast es ja auch gerade schon angesprochen mit dem Nationalpark Wattenmeer. Wir sind jetzt ja hier das einzige Bundesland zwischen zwei Meeren und inwiefern kann denn der Nationalpark Wattenmeer für das Vorhaben Nationalpark Ostsee schon als Vorbild dienen und was könnte man eventuell auch adaptieren oder sogar optimieren?
Tobias Goldschmidt: Ja, man soll ja mit Vergleichen gerade auch in der Politik immer ein bisschen vorsichtig sein und gerade auch bei Nationalparken, die ja sehr unterschiedlich sind. Ich glaube aber schon, dass man jetzt, nach so vielen Jahren, wo wir den Nationalpark an der Westküste haben, sagen kann, dass es ein absolutes Erfolgsmodell gewesen ist für den Schutz des Wattenmeers. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie das Wattenmeer ohne Nationalpark aussehen würde. Ich meine, da waren mal im oder am Watt Atomkraftwerke geplant in einem Gebiet, was heute Weltnaturerbe ist. Es gab Dünnsäureverklappung in der Nordsee, und wir haben es geschafft über den Nationalpark, der ja anfangs sehr, sehr umstritten gewesen ist, den Uwe Barschel gegen viele Widerstände auch vor Ort durchgesetzt hat. Wie ich finde eine der höchsten Leistungen, die er da vollbracht hat, kann man jetzt sagen.
Der Nationalpark Wattenmeer ist gut akzeptiert, die Zustimmungsraten sind gigantisch groß, so wie übrigens bei eigentlich allen Nationalparken, die es in Deutschland gibt. Dafür sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend gewesen. Zum einen, dass der Nationalpark einen großen Fanclub hatte. Dann nach der Gründung viele Menschen, die dort ihren Freiwilligendienst verbracht haben und sich um das Schutzgebiet gekümmert haben. Es gab die einheitliche Verwaltung, die immer sehr nah auch an den Küstenbewohner*innen war, viele Kompromisse gemacht hat, aber auch viele Auseinandersetzungen geführt hat. Dadurch ist Vertrauen erwachsen. Und an der Westküste gibt es die sogenannten Nationalparkkuratorien. Nationalparkkuratorien sind Gremien, die die Arbeit der Nationalparkverwaltung begleiten, die auch eingebunden werden, die aus den Kreisen besetzt sind, aber auch von wirtschaftlichen Akteuren und wo sozusagen aus der Region für die Region das Schutzgebiet mit verwaltet wird. Und ich glaube, so etwas wäre etwas, was gut auch zur Ostsee passen könnte, wo viele Akteure ja auch die Ostsee nutzen und darüber dann mitbestimmen sollten, wie das im Nationalpark Ostsee, wenn er dann kommt, alles laufen kann.
Max: Du hast gerade ja schon gesagt: Entgegen jeglicher Kritik damals. Heute kann man sich das Wattenmeer eigentlich gar nicht mehr ohne Nationalpark vorstellen. Und wenn man sich die Debatte um das Vorhaben Nationalpark Ostsee anguckt, ist das jetzt ja auch eine Debatte, die teilweise sehr kritisch und emotional geladen ist… Also, ich habe vorhin mal so ein bisschen auf Youtube geguckt, und da sieht man wirklich schon, dass es sehr viele Pro-Argumente gibt, von anderen aber auch Gegen-Argumente. Wie wichtig ist gerade jetzt neben der fundierten und tragfähigen inhaltlichen Planungsarbeit, die ihr jetzt ja gerade macht, eine gute und öffentliche Kommunikation?
Tobias Goldschmidt: Ja, die Kommunikation ist wichtig, und wir geben uns da alle Mühe. Der Staat ist nicht immer der perfekte Kommunikator, das will ich sagen, und bestimmt passieren uns auch Fehler in der Kommunikation. Würde mich jedenfalls wundern, wenn das nicht so wäre. Aber wir gehen gerade bei dem Prozess rund um den Nationalpark Ostsee einen anderen Weg. Wir machen es ja eben nicht so, wie der Staat es häufig macht, also gehen mit einem fertigen Konzept für einen Nationalpark raus, schreiben ein Gesetz, bringen das dann in die Anhörung und kriegen dann den Kopf gewaschen. Nein, wir gehen diesmal erst vor Ort, reden mit den Akteuren, sammeln ein, welche Gebiete der Ostsee und welche Nutzung der Ostsee für sie wichtig sind, bilden uns dann eine Meinung, und dann entscheiden wir, wie es laufen wird. Als Regierungskoalition Schwarz-Grün als gemeinsames Projekt und bringen dann ein Nationalparkgesetz – oder eine andere Form des Ostseeschutzes auf den Weg. Das ist der Weg, der vorgezeichnet ist. Eine ganz transparente Kommunikation haben wir uns vorgenommen, und ich glaube bisher auch sehr gut durchgehalten.
Ja, die Kommunikation ist wichtig, und wir geben uns da alle Mühe. (…) Wir gehen diesmal erst vor Ort, reden mit den Akteuren, sammeln ein, welche Gebiete der Ostsee und welche Nutzung der Ostsee für sie wichtig sind, bilden uns dann eine Meinung, und dann entscheiden wir, wie es laufen wird. Als Regierungskoalition Schwarz-Grün als gemeinsames Projekt und bringen dann ein Nationalparkgesetz – oder eine andere Form des Ostseeschutzes auf den Weg. Das ist der Weg, der vorgezeichnet ist. Eine ganz transparente Kommunikation haben wir uns vorgenommen, und ich glaube bisher auch sehr gut durchgehalten.
Tobias Goldschmidt
Max: Könnt ihr denn auf Erfahrungswerte von damals, also von der Planung vom Nationalpark Wattenmeer zurückgreifen? Seid ihr da irgendwie in Kontakt gewesen mit Personen, die sich damals schon damit beschäftigt haben?
Tobias Goldschmidt: Ja, bin ich, und das waren sehr gute Gespräche und ich bin immer wieder darauf hingewiesen worden, wie groß damals auch an der Westküste der Streit gewesen ist. Die Proteste, wie laut die auch gewesen sind. Und eins zieht sich durch. Ich habe auch mit Vertretern anderer Nationalparke gesprochen und auch Kollegen, die woanders Nationalparke umgesetzt haben, ist es eigentlich immer so: Wenn das Nationalparkgesetz dann mal da war, dann ist der Streit sehr schnell verflogen. Und die größten Kritiker haben ihre Kinder dann für die Ranger-Programme des neuen Nationalparks entsprechend angesiedelt. Ich glaube so könnte das hier auch kommen.
Max: Nimm uns jetzt mal bitte mit in den organisatorischen Prozess. Wir sind jetzt ja gerade bei diesen Konsultationsphasen, also es geht jetzt darum, verschiedene Interessengruppen einzuladen und anzuhören, wie geht es dann weiter? Also wann könnte der Nationalpark wirklich Realität sein?
Tobias Goldschmidt: Ja ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht in allen Politikbereichen sagen können Beschleunigung, Beschleunigung, Beschleunigung, nur beim Naturschutz lassen wir uns ewig Zeit. Dafür sind wir einfach in einer zu großen Krise. Deswegen haben wir gesagt, wir nehmen uns vor, diesen ganzen Prozess rund um den Nationalpark Ostsee in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Und die Konsultation, die jetzt läuft, die läuft jetzt ja, ein halbes Jahr ungefähr, und ich denke, die wird dieses Jahr noch in Anspruch nehmen. Und dann wird es aus der Koalition einen ganz konkreten Vorschlag geben, eine ganz konkrete Verständigung geben, wie wir den Schutz der Ostsee verbessern. Möglicherweise ist das ein Nationalparkvorschlag, möglicherweise ist das aber auch ein anderer Vorschlag.
Wenn es ein Nationalparkvorschlag wäre, würde die Möglichkeit bestehen, dass wir in dieser Legislaturperiode ein Nationalparkgesetz erarbeiten und dann auch entsprechend beschließen, sodass ein Nationalpark Ostsee dann ab der nächsten Legislaturperiode ungefähr Realität werden könnte. Wenn wir etwas anderes machen, muss man schauen, was wir anderes machen, welches Instrument wir dann wählen. Das hätte dann andere zeitliche Verläufe. Klar ist aber, wir wollen uns nicht ewig Zeit lassen. Und klar ist auch eins: Der Prozess des Nationalparks der ist ergebnisoffen, aber das Ergebnis wird nicht sein, dass wir nichts machen, sondern wir müssen mit der Ostsee zu einem besseren Schutz kommen. Und ich bin total happy, dass ich eigentlich auf allen Veranstaltungen so kritisch, wie die auch dann immer sind, gespiegelt bekomme: Alle wollen besseren Ostsee Schutz, das ist super.
Klar ist, wir wollen uns nicht ewig Zeit lassen. Und klar ist auch: Der Prozess des Nationalparks Ostsee ist ergebnisoffen, aber das Ergebnis wird nicht sein, dass wir nichts machen, sondern wir müssen mit der Ostsee zu einem besseren Schutz kommen. Und ich bin total happy, dass ich eigentlich auf allen Veranstaltungen, so kritisch wie die auch dann immer sind, gespiegelt bekomme: Alle wollen besseren Ostsee Schutz, das ist super.
Tobias Goldschmidt
Max: Ja und vermutlich ist es auch gar nicht so einfach, dann einen komplett gemeinsamen Konsens zu finden, auch wenn es insgesamt in eine gemeinsame Richtung geht, jeder aber dann noch seine kleinen Bedürfnisse hat, sage ich mal. Und du hast es ja gerade eben schon gesagt, Es muss gar nicht zwingend der Begriff des Nationalparks sein, sondern es gäbe ja auch andere Möglichkeiten, den Schutz der Ostsee jetzt voranzutreiben. Was wären denn jetzt eventuell andere Möglichkeiten?
Tobias Goldschmidt: Als Naturschutzminister sehe ich, wie groß das Problem der Ostsee ist und glaube, dass das Lösungsinstrument Nationalpark schon ein angemessenes wäre. Mindestens angemessen, wenn nicht zwingend. Auf der anderen Seite ist der Prozess ergebnisoffen, und es gibt auch immer in der Politik Alternativen. Es gibt also auch Alternativen zu einem Nationalpark. Das kann sein, dass man sich um die bisher bestehenden Schutzgebiete besser oder anders kümmert, dass man neue Strukturen schafft, die brauchen wir nämlich unbedingt, weil sich bisher zu Wenige wirklich auch ernsthaft um die Ostsee auch von staatlicher Seite kümmern.
Und es können auch Akteursnetzwerke sein, die dann die Alternative bilden. Klar ist aber: Wir können es nicht unverbindlich machen, wir werden keine neuen Stuhlkreise bilden, die sich dann am Ende um sich selber drehen. Dafür hat eine Verwaltung gar nicht die Kapazitäten, gar nicht die Zeit. Wir brauchen substantiellen Ostseeschutz. Der wird bestehen aus Reduktionen von Nährstoffeinträgen. Er wird bestehen aus Bergung von Munitionsaltlasten und er wird auch bestehen müssen aus der Schaffung von Ruheräumen und Rückzugsräumen für unsere vielen bedrohten Arten.
Klar ist aber: Wir können es nicht unverbindlich machen, wir werden keine neuen Stuhlkreise bilden, die sich dann am Ende um sich selber drehen. Dafür hat eine Verwaltung gar nicht die Kapazitäten, gar nicht die Zeit. Wir brauchen substantiellen Ostseeschutz. Der wird bestehen aus Reduktionen von Nährstoffeinträgen. Er wird bestehen aus Bergung von Munitionsaltlasten und er wird auch bestehen müssen aus der Schaffung von Ruheräumen und Rückzugsräumen für unsere vielen bedrohten Arten.
Tobias Goldschmidt
Max: Und wir sehen es ja auch, dass wir beim Klimaschutz ordentlich reinhauen müssen.
Tobias Goldschmidt: Klimaschutz steht sowieso über allen, das ist ganz klar. Wenn wir das nicht gebacken kriegen, dann wird das mit dem Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen nicht nur für die Schweinswale, sondern auch für die Menschen sowieso alles ganz schwer.
Max: Ja, denn jetzt erst in zehn Jahren zu handeln, wäre dann wahrscheinlich doch ein bisschen zu spät. Es gibt noch ein Argument von der, ich sage mal Contra-Seite, das auch immer auffällt, nämlich dass ein Nationalpark auch sehr teuer wäre, was Verwaltungskosten und sowas angeht. Wie sieht das da aus?
Tobias Goldschmidt: Ein Nationalpark bedeutet immer auch eine Nationalparkverwaltung. Das ist keine Frage, aber was macht denn eigentlich der Nationalparkverwaltung? Die kümmert sich darum, dass das Gebiet gut gemanagt wird. Das heißt, dass Regelungen, die dort bestehen, auch endlich mal durchgesetzt werden und nicht nur auf dem Papier stehen, wo sie teuer aufgeschrieben worden sind, sondern sie setzt sie um. Viele Aufgaben einer Nationalparkverwaltung hat der Staat auch heute schon, gerade wenn es Eingriffe geht. In der Nationalparkverwaltung ist dann der einheitliche Ansprechpartner für die Akteure vor Ort. Die müssen nicht von Behörde zu Behörde tingeln und die Nationalparkverwaltung hat darüber hinaus viel weitergehende Aufgaben.
Von der Besucherlenkung über die Besucherbildung, über ein einheitliches Look and Feel, über die Förderung von nachhaltigem Tourismus, über die Schaffung von Nationalparkzentren, das heißt auch der Schaffung von Schlechtwetteralternativen bis hin zur Vermittlung von Konflikten, die sich rund das Schutzgebiet ergeben, und der Schaffung von neuen Lösungen. Und deswegen gehe ich da absolut gelassen in diese Auseinandersetzung, ob die Nationalparkverwaltung Geld kostet. Alles kostet Geld im Leben, auch die Ansiedlung von Unternehmen kostet Geld oder der Vollzug anderer Politikbereiche kostet Geld. Der Vorteil, den der Nationalpark hat ist, dass alle wissenschaftlichen Studien zeigen, dass er erstens was bringt für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und zweitens am Ende sogar Geld abwirft, wenn wir uns zum Beispiel an der Westküste die Einnahmen anschauen, die sich aus dem Tourismus ergeben, aus dem Nationalparktourismus ergeben, dann ist das ein Vielfaches der Kosten der Nationalparkverwaltung.
Ich gehe da absolut gelassen in diese Auseinandersetzung, ob die Nationalparkverwaltung Geld kostet. Alles kostet Geld im Leben, auch die Ansiedlung von Unternehmen oder der Vollzug anderer Politikbereiche. Der Vorteil, den der Nationalpark hat, ist, dass alle wissenschaftlichen Studien zeigen, dass er erstens was bringt für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und zweitens am Ende sogar Geld abwirft. Wenn wir uns zum Beispiel an der Westküste die Einnahmen anschauen, die sich aus dem Nationalparktourismus ergeben, dann ist das ein Vielfaches der Kosten der Nationalparkverwaltung.
Tobias Goldschmidt
Max: Ja, vor allem, weil viele ja auch aufgrund des Nationalparks eben genau dort Urlaub machen wollen und das ja auch ein Grund ist für Menschen dort, ja, sich weiterbilden zu können. Und ich glaube wie du schon gesagt hast es sind dann doch sehr gut investierte Kosten. Vor allem wenn wir so Richtung Meeresschutzbildung und sowas zu sprechen kommen, ist glaube ich schon echt der richtige Ansatz in sowas zu investieren und nicht in kurzfristige Sachen, sondern der Nationalpark kann da ja wirklich was Langfristiges auch sein.
Tobias Goldschmidt: Ja und wir haben auf der Welt ein paar tausend Nationalparke und wenn ich dann auf den Veranstaltungen bin mit den vielen Nationalparkgegnern, die ja dann diejenigen sind, die dann auch vor Ort das Wort ergreifen, dann denke ich ganz oft: Mensch, wenn du jetzt wüsstest wer alles seinen Sommerurlaub oder seinen nächsten Urlaub irgendwo auf einem Nationalpark oder in einem Nationalpark geplant hat, ich glaube man würde sich manchmal wundern. Denn Nationalparke sind einfach Hotspots der Touristen, des Tourismus. Man muss sich nur mal die Orte in Deutschland anschauen, wo wir Nationalparke haben: vom Berchtesgadener-Land über den Schwarzwald, dem Bayerischen Wald, die Wattenmeer Nationalparke, Rügen, all das sind Hotspots vom Tourismus und der Nationalpark hilft dem Tourismus und schadet ihm nicht.
Über Inspirationen, Frustrationen und eine Zukunftsversion
Max: In dem ganzen Vorhaben Nationalpark Ostsee, so wie es jetzt bis jetzt gelaufen ist. Gibt es da etwas, was dich besonders begeistert oder inspiriert hat, und welche Punkte stellen für dich oder für euch auch unerwartete Herausforderungen dar?
Tobias Goldschmidt: Also was mich natürlich inspiriert ist, dass ich auf viele Menschen treffe, die sagen: Wir müssen was tun. Gut, dass ihr jetzt mal einen Vorschlag macht, das Thema nicht in der Fachszene lasst, sondern dass die Krise der Ostsee auch auf laut stellt und darüber sprecht. Und es ist absolut faszinierend, was Menschen alles über die Ostsee wissen und was man alles noch Neues lernen kann über die ökologischen Zusammenhänge.
Und auf der anderen Seite erschreckt es mich manchmal dann doch, auch wenn ich solche Prozesse schon häufiger erlebt habe, wie sehr mit Unwahrheiten gearbeitet wird und mit Falschbehauptungen auch dann, wenn man es gerade richtiggestellt hat, wird trotzdem noch behauptet: Ihr wollt in Wirklichkeit die touristischen Strände sperren oder das Segeln verbieten. Das sind Schauermärchen, die mich in der Form dann doch auch irgendwo treffen und stark wundern.
Ein zweiter Punkt, der mich wundert und auch trifft, ist, dass wir hier genau den Ansatz fahren, dass wir früh mit der Bevölkerung vor Ort sprechen, über eines der größten Umweltprobleme, die wir in Deutschland haben, nämlich den Zustand dieses Meeres. Und dass trotzdem so emotional diskutiert wird, als wäre es irgendwie nicht legitim, die Diskussion zu führen. Aber die Diskussion ist legitim und selbst wenn man sich am Ende entscheidet, keinen Nationalpark Ostsee zu machen, dann müssen wir doch die Diskussion darüber führen. Ich finde das wirklich manchmal schwer erträglich, dass das in Abrede gestellt wird, dass so eine Diskussion legitim ist. Und deswegen führe ich die sehr gerne und bei allem Widerstand, denn ich höre eben auch viel Lob. Häufig. Das ist eigentlich auch noch mal interessant. Von Menschen, die ganz, ganz eng mit der Ostsee arbeiten, das heißt, die teilweise auch auf der Ostsee arbeiten. Da sprechen dich dann Taucher*innen an, die sagen: Boah, mach das mal. Weil wir sehen, was unter der Wasseroberfläche los ist, können wir sagen, da muss wirklich was passieren, und solche Begegnungen habe ich immer wieder, und das macht natürlich Mut für den Prozess.
Es erschreckt mich manchmal dann doch, auch wenn ich solche Prozesse schon häufiger erlebt habe, wie sehr mit Unwahrheiten und mit Falschbehauptungen gearbeitet wird, auch dann, wenn man es gerade richtiggestellt hat, wird trotzdem noch behauptet: Ihr wollt in Wirklichkeit die touristischen Strände sperren oder das Segeln verbieten. Das sind Schauermärchen, die mich in der Form dann doch auch irgendwo treffen und stark wundern.
Tobias Goldschmidt
Max: Bei meiner Recherche bin ich unter anderem auf so Vereinigungen gestoßen wie „Freie Ostsee“, wo Plakate hängen mit: Wir dürfen nie wieder Baden in der Ostsee, die ja genau diese dieser Unwahrheiten auch entsprechen. Dennoch glaube ich, geben solche Begegnungen auch wirklich dann Kraft, um auch weiterzumachen. Blicken wir mal so zum Schluss ganz visionär in die Zukunft und stell dir mal Folgendes vor: Es hat alles perfekt geklappt und der Nationalpark Ostsee ist Wirklichkeit geworden. Wie genau sieht das aus? Also, was hat sich verändert, was kann man sehen, spüren und vor allem auch erleben?
Tobias Goldschmidt: Ja meine Vision wäre, wenn der Nationalpark Ostsee Realität geworden ist, haben wir eine Bevölkerung in Schleswig-Holstein, die das Meer an der Ostküste des eigenen Landes genauso wichtig und genauso schützenswert findet, wie das Meer an der Westküste. Das heißt, wir haben eine hohe Bereitschaft, auch die Gewässer zu schützen, an Land in der Bevölkerung erzeugt, weil die eben sehen, wie die Ökosysteme im Meer leiden, weil sie das erfahren, zum Beispiel von den Betreuerinnen und Betreuern in den Schutzgebieten der Ostsee.
Wir als Bevölkerung haben also die Ostsee ins Herz geschlossen , und wir nutzen sie weiter. Wir nutzen sie aber so, dass wir das behutsam tun, in einem guten Miteinander mit dem Ökosystem, das heißt, es wird selbstverständlich weiter gekitet, gesegelt, gesurft, gebadet. All das, was wir an der Ostsee heute so lieben und schätzen. Es wird aber in einer gesünderen Ostsee passieren, und wir werden besser wissen, welche Bereiche der Ostsee man in bestimmten Monaten umfährt, wo man Bogen drum fährt, weil man weiß, da rasten oder brüten seltene Arten, und man ist gerne bereit, diesen Bogen zu fahren, weil man es eben für ein gesundes Ökosystem tut.
In der Ostsee ist dann die Munitionsbergung als eines der größten Probleme, was wir haben, in vollem Gange. Übrigens passt das auch hervorragend zum Nationalparkgedanken, weil der Nationalparkgedanke immer auch den Gedanken hat, das Meer zu renaturieren und die größten Schäden oder das Schutzgebiet zu renaturieren und die größten Schäden zu beseitigen. Und wir haben Bereiche dann in der Ostsee, wo eben kein Kiesabbau stattfindet, wo die Fischerei nicht stattfindet, wo wir keine industriellen Vorhaben vorsehen in der Ostsee, wo der Schweinswal und die Fischgründe eben den Vorrang haben.
Trotzdem haben wir aber Fischerei, weil die Fischerei an anderen Orten wieder mehr aus der Ostsee rausholen kann, weil es endlich wieder Gebiete gibt, wo sich auch Fischbestände erholen können. Und die Fischerinnen und Fischer, die vielleicht aufgehört haben, weil nicht mehr so viele Fische da sind, haben aber ihren Platz gefunden rund um den Nationalpark. Helfen damit das Schutzgebiet in Ordnung zu erhalten, helfen damit Touristinnen und Touristen das Schutzgebiet zu erklären und die unfassbare Schönheit der Ostsee richtig zum Strahlen zu bringen.
Meine Vision: Wir haben also die Ostsee ins Herz geschlossen als Bevölkerung, und wir nutzen sie weiter. Wir nutzen sie aber so, dass wir das behutsam tun mit dem guten Miteinander mit dem Ökosystem, das heißt, es wird selbstverständlich weiter gekitet, gesegelt, gesurft, gebadet. All das, was wir an der Ostsee heute so lieben und schätzen. Es wird aber in einer gesünderen Ostsee passieren, und wir werden besser wissen, welche Bereiche der Ostsee man in bestimmten Monaten umfährt, wo man Bogen drum fährt, weil man weiß, da rasten oder brüten seltene Arten, und man ist gerne bereit diesen Bogen zu fahren, weil man es eben für ein gesundes Ökosystem tut.
Tobias Goldschmidt
Max: Also ich muss sagen, du hast mich von dem Szenario auf jeden Fall überzeugt, und ich hoffe, der ganze Nationalpark wird dann in Zukunft auch genauso Wirklichkeit werden, weil ich glaube, er bietet uns einfach riesige Chancen, auch mit dem Meer noch mal näher in Verbindung zu kommen, auch wenn das erst mal sehr spirituell klingt. Aber ich glaube, darum geht es auch am Ende so ein bisschen.
Fragen der Zuhörer*innen des Ocean Five Podcast
Max: Wir haben über die Kanäle vom Ocean Summit und Ocean Five Podcast einige Tage vor der Aufnahme des Interviews dazu aufgerufen, dass auch unsere Zuhörer*innen dir noch ein paar Fragen stellen können. Und es ist tatsächlich ein bisschen was eingetrudelt, und die erste Frage ist von Caro.
Caro fragt: Was ist geplant bezüglich Einschränkung von Wassersport Aktivitäten? Ich habe da sehr in sehr viel Kontroversen rund um ein Verbot gehört. Man sollte natürlich die Natur vor Ort schützen, aber macht ein Wassersportverbot so viel Sinn. Es gibt ja Praktiken, die schädlicher sind für die Ökosysteme der Ostsee als zum Beispiel Surfen.
Tobias Goldschmidt: Ja, das beantworte ich natürlich gerne. Zu einem Nationalpark gehört immer das Naturerleben und was könnte besseres Naturerleben bieten als Wassersport. Das heißt, es gibt überhaupt keinen Grund und wir haben das auch absolut nicht vor, den Wassersport zu verbieten oder Reviere für den Wassersport zu schließen. Es geht aber natürlich auch darum, dass auch Wassersport einen Eingriff in ein Meer darstellt und ein Kite von einem Kiter zum Beispiel auch eine Scheuchwirkung hat für seltene Vogelarten, die vielleicht gerade Rasten oder Brüten, und da geht es dann darum, dass man in bestimmten Bereichen kleinräumig, möglicherweise auch nur zu bestimmten Jahreszeiten, wenn die Vögel nämlich da sind, einen Bogen darum macht.
Das heißt, es geht mitnichten darum, den Wassersport zu verbieten, ich würde es auch nicht als Einschränkung bezeichnen. Ich halte das für eigentlich für eine Selbstverständlichkeit, dass wenn man als Mensch beansprucht das Meer zu nutzen, zum Beispiel als Wassersportler, dass man das dann auch so macht, dass man den größten Schaden jedenfalls vom Meer fernhält und um seltene Arten einen Bogen macht. Das heißt das, was draußen behauptet wird, wir würden irgendwie ein Wassersportverbot im Schilde führen, das ist absolut ein Schauermärchen.
Max: Lena hat zwei Fragen.
Lena 1: Gibt es schon Ideen zu konkreten Befahrensregeln, vielleicht auch Unterscheidungen abhängig vom Wasserfahrzeug?
Tobias Goldschmidt: Wir sind ja noch mitten in der Konsultation. Nach der Konsultation würden wir uns dann das sozusagen ein Fachkonzept erstellen, das auch politisch zur Diskussion stellen, wie wir den Ostseeschutz voranbringen können. Ich habe aber schon mehrfach deutlich gemacht, dass es von mir keinen Antrag geben wird und ich auch keine Notwendigkeit sehe großräumig auf der Ostsee irgendwelche Befahrensverbote zu beantragen für Segelboote, Kite-Surfer, Wingfoiler, und sämtliche andere Bord-Wassersportarten.
Worüber man aber selbstverständlich reden muss, ist, ob wir in den Bereichen, wo wirklich starker Schutz ist, das heißt der Bereiche, die der Natur vorbehalten sein sollen, ob man da nicht zum Beispiel Speedboot-Fahrer raushält? Das ist aber, glaube ich, was auch gut akzeptiert wird, denn die haben da in den Bereichen nichts zu suchen, da kann man gerne mit dem Segelboot drüberfahren. Man kann da auch gerne SUPen oder andere Sportarten sind da bestimmt auch möglich, aber Speedboote in Kernzonen eines Nationalparks, da passt einfach nicht zusammen.
Max: Ja es ist sozusagen so ein kleines Tempolimit auf dem Meer … und die zweite Frage von Lena ist wahrscheinlich dann schon sehr konkret und vielleicht kannst du sie noch gar nicht beantworten ich werde sie trotzdem mal stellen.
Lena 1: Wird das Ankern mit Segelbooten noch möglich sein, vor allem in Großenbrode?
Tobias Goldschmidt: Auch das ist etwas, was man dann besprechen muss. Das Ankern halte ich ehrlicherweise für sehr unproblematisch und sehe da auch keinen Grund das irgendwie großräumig nicht zu erlauben. Was wir aber natürlich vorhaben ist, Seegraswiesen besser zu schützen. Seegraswiesen sind für den Klimaschutz ganz wichtig und sind fürs Meeresökosystem ganz wichtig. Aus meiner Sicht sollten wir sie sogar auch künstlich anlegen, weil sie einfach so großen Nutzen haben und da können Anker schon ein Problem sein. Und dass man auf solchen Seegraswiesen nicht ankert ist glaube ich etwas, was auch mit Seglerinnen und Seglern gut zu besprechen ist, zumal man da ja auch dann darüber reden kann, dass man Mooringbojen legt, an denen man sich dann auch festmachen kann, so dass man zwar über Seegraswiesen fest ist, aber vielleicht nicht die Seegraswiesen selber mit dem Acker beschädigt. Das ist die Ebene, über die ich gerne reden würde und wo ich glaube, dass man mit den Wassersportlern auch wirklich ein gutes Einvernehmen schaffen kann, weil ich ja auch weiß, dass viele von denen selber den Naturraum Ostsee unbedingt schützen wollen, weil das ist ja quasi ihr eigenes Revier, das wollen wir ja auch alle, dass man das gut weiter nutzen kann.
Max: Ja, guck, das passt ziemlich gut, weil das, was du gerade gesagt hast mit den Mooringbojen, das ist genau das, was Lena eben auch vorgeschlagen hat, über Seegraswiesen. Und ich glaube daran sieht man eben auch, dass man dann doch dasselbe Ziel verfolgt und sowohl Wassersportler*innen als auch von der Politik eben ja derselbe Gedanke dahinter ist. Und genau zwei Fragen sind sie noch da.
Und die Erste ist: Wie stellen Sie sich die Ostsee und ihre Ufergebiete in 25 Jahren vor?
Tobias Goldschmidt: Auf jeden Fall wieder etwas natürlicher als heute. Die Ostsee ist ja einfach ein extrem stark genutztes Meer und menschlich stark geprägt. Das wird auch immer so sein, aber es sollte uns doch ein Anliegen sein, sie ein Stück weit wieder zu renaturieren. Das ist nicht nur eine Vorgabe aus Europa und letztlich auch auf internationaler Ebene, sondern es ist auch unsere menschliche Pflicht. Ich bin der Auffassung, wir können nicht dauernd von Ländern, die weit weg sind, verlangen beispielsweise den Regenwald besser zu schützen oder keine Palmölplantagen anzulegen, um den Schimpansen was Gutes zu tun und selbst nicht die Bereitschaft haben, zumindest kleine Teile unseres Landes auch etwas natürlicher zu bewirtschaften, als es heute ist und deswegen sehe ich das schon auch als ethische Pflicht, da besser zu werden, als wir heute sind.
Max: Und die letzte Frage aus der Community ist: Was ist Ihrer Meinung nach der aktuell stärkste negative Einflussfaktor auf die Gesundheit der Ostsee?
Tobias Goldschmidt: Na, das ist der Mix aus verschiedenen Dingen, aus den Störungen, die Stress bedeuten für die Arten, die gleichzeitig aber auch gestresst sind von der Erwärmung, von den Nährstoffeinträgen, also von den Düngemitteleinträgen und der Klimaerwärmung. Also das sind die vier großen Themen, dann haben wir noch das Thema Müll und Schadstoffe, Munition, das sind dann die nächsten großen Themen, die man angehen muss, wo wir immer den gesellschaftlichen Willen auch für brauchen. Beim Müll mit Blick darauf, dass man eben nicht so viel Müll am Strand liegen lässt und in die Meere schmeißt und aufpasst, dass sie nicht so viele Reifenabtrieb über die Gewässer in die Ostsee eingeleitet werden. Und bei der Munition brauchen wir auch gesellschaftliche Akzeptanz, weil das ein Thema ist, wo wir zwar gerade voll im technologischen Hochlauf sind, wo alle wollen. Wo wir aber einen verdammt langen Atem brauchen, weil sehr, sehr viel Geld dafür erforderlich sein, wir die Munition rauszuholen.
Schon heute können wir messen, dass wir giftige Substanzen in der Ostsee haben, die sich auch anreichern. Noch ist aber die Munition einigermaßen intakt, korrodiert freundlich vor sich hin. Es also Eile geboten, langer Atem, viel Geld und genau so ein Kraftakt ist auch beim Thema Ruheräume geboten, bei der Reduktion von Nährstoffeinträgen. Das ist einfach ein Mammutprojekt, die Ostsee wieder auf Kurs zu bringen, wo wir uns nicht leisten können, dass immer der Eine auf den Nächsten zeigt, oder auf das nächste Problem, das erst mal gelöst werden muss. Wir sitzen so tief im Dreck mit der Ostsee, dass wir einfach überall angreifen müssen, alle Themen gleichzeitig adressieren müssen. Dafür steht ehrlicherweise auch die Nationalpark Ostsee Diskussion.
Max: Ja, ich finde, das sind sehr gute Abschlussworte, weil das beschreibt eigentlich alles einmal sehr gut, dass das alles mit allem zusammenhängt und es nicht das eine Problem der Ostsee ist, sondern durchaus vielschichtig und ein multifaktorieller Druck auf der Ostsee lastet. Ich hoffe, wir haben so ein bisschen mit den Vorurteilen auch so ein bisschen aufräumen können, was zum Beispiel ein Wassersportverbot angeht. Vielen, vielen Dank dir, dass du uns in den Prozess mit reingenommen hast, was gerade ansteht und ich denke mal, wir werden dann vielleicht schon nächstes Jahr eine neue Aktuell-Folge machen können mit dem aktuellen Stand wie es nächstes Jahr aussieht und bleiben auf jeden Fall am Ball.
Tobias Goldschmidt: Sehr gerne, hat Spaß gemacht.
Zur Podcast-Folge mit Tobias Goldschmidt.
Zum Weiterlesen, Schauen oder Hören:
Tobias Goldschmidt (*16.09.1981 in Haselünne) ist seit Juni 2022 Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein. Der Diplom-Politikwissenschaftler hatte von 2012 bis 2017 verschiedene Funktionen im schleswig-holsteinischen Umweltministerium inne. Von 2017 bis 2022 war Goldschmidt Staatssekretär im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung.
Ocean Five Podcast – in dem Wissenspodcast aus dem Hause Ocean Summit Kiel kommen seit 2021 Expert*innen zu den unterschiedlichsten Themen rund um die Meere und deren Schutz zu Wort. Pro Staffel wird ein Thema wie z.B. „Munition im Meer“ oder „Fischerei“ aus fünf verschiedenen Perspektiven beleuchtet – daher auch der Name „Ocean Five“. Die gesamte Reihe findet ihr hier.
Nationalpark Ostsee – Kurze Einführung und weiterführende Links: https://ocean-summit.de/allgemein/vorhaben-nationalpark-ostsee-infos-ablauf-und-anregungen/
Wunderwiesen Seegraswiesen – Infos und Netzwerk: https://ocean-summit.de/bildung/seegraswiesen-wunderwiesen/
Frutti di mare – unsere Wissenserie über Meeresproblematiken und Lösungsansätze: https://ocean-summit.de/bildung/frutti-di-mare/