Dänemark gilt als Vorreiter bei der Wärmewende und der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Vom 27.10. bis 29.10.2024 organisierte das Dänische Generalkonsulat in Hamburg eine Delegationsreise für Akteure aus Schleswig-Holstein nach Süddänemark. Die Reise wurde in Kooperation mit dem Land Schleswig-Holstein, der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) und der Energie- und Klimaschutzinitiative (EKI) durchgeführt. Unter den 30 Teilnehmenden der Delegation waren u.a. Vertreter*innen von Stadtwerken, Kommunen, Behörden, Agenturen, Industrie- und Handelskammern sowie Energiegenossenschaften. Auch die Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein war eingeladen.
Die Delegationsreise umfasste Besichtigungen von technischen Anlagen, Innovationen und Lösungen im Bereich der Fern- und Nahwärmeversorgung sowie Vorträge und Workshops mit dänischen Expert*innen und Kommunalvertreter*innen.
Project Zero – Kohlenstoffneutrales Energiesystem
Erste Station war die grenznahe Stadt Sønderborg, die bis 2029 ihre Treibhausgasemissionen durch ein kohlenstoffneutrales Energiesystem verringern will. Das sog. ProjectZero wurde 2007 als öffentlich-private Partnerschaft mit der Vision gegründet, das Energiesystem der Stadt bis 2029 kohlenstoffneutral zu gestalten. Zu den Initiator*innen gehören die Bitten & Mads Clausen Stiftung, Mehrheitsaktionärin bei dem Unternehmen Danfoss A/S, die Kommune Sønderborg, die Universität von Süddänemark, mehrere Unternehmen sowie andere öffentliche und private Organisationen. ProjectZero gilt als wegweisendes Beispiel für die Dekarbonisierung des Energiesektors und erfährt weltweit Anerkennung. Brian Seeberg, CEO von ProjectZero, stellte die Initiative vor und erläuterte die verschiedenen Bausteine des integrierten Energiesystems der Stadt. Ziel ist eine schnelle und kosteneffiziente Dekarbonisierung mit Hilfe von Energiesparmaßnahmen, der systematischen Nutzung industrieller/gewerblicher Abwärme-Potenziale, den Einsatz erneuerbarer Energien sowie die Sektorenkopplung. Das Projekt wurde vom Stadtrat zu einem sogenannten Leuchtturm-Projekt ernannt. ProjektZero bringt die verschiedenen Akteur*innen und Stakeholder*innen zusammen, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Das Projekt wird von allen politischen Parteien getragen, die Akzeptanz in der Bevölkerung ist hoch. Die enge Kooperation von Politik, Verwaltung, Umlandgemeinden, Unternehmen und Bürger*innen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Bislang konnten 66 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen eingespart werden. 20-30 Prozent des gesamten Wärmebedarfs werden durch die Erschließung von Abwärme aus Supermärkten, Rechenzentren, Industrie- und Gewerbebetrieben sowie Power-to-X-Anwendungen gedeckt. Das Beispiel zeigt eindrücklich, wie ambitionierter Klimaschutz und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung sinnvoll miteinander verbunden werden können.
Dekarbonisierungsstrategie von Sønderborg Varme
Es folgte eine Präsentation des genossenschaftlich organisierten Fernwärmeunternehmens Sønderborg Varme. Projekt- und Entwicklungsleiter Tue Christensen stellte die Unternehmensstruktur, technische Infrastruktur und Dekarbonisierungsstrategie des Unternehmens vor. Des Weiteren erläuterte er Beispiele für industrielle Abwärmenutzung, die Integration der verschiedenen Wärmenetze, sowie den geplanten Ausbau der Wärmenetze in Sønderborg. Er ging auch auf die Preisgestaltung, sowie regulatorischen und förderpolitischen Rahmenbedingungen (bspw. Kommunalbürgschaften, Förderprogramme) ein. Im Januar 2024 betrug der Fernwärmepreis des Unternehmens durchschnittlich 558 DKK/MWh (74,84 EUR/MWh), was jährlichen Wärmekosten für ein Standardeinfamilienhaus (130 m2, Jahresverbrauch 18,1 MWh) von 14.037 DKK (ca. 1.882,66 EUR (incl. USt) entspricht (Quelle).
Es folgte ein Kurzvortrag des Unternehmens Danfoss, in welchem die Software Danfoss Leanheat® vorgestellt wurde, eine anwendungsorientierte Netzplanungssoftware für Wärmeunternehmen.
Saisonaler Erdbeckenspeicher des Fernwärmeversorgers Vojens Fjernvarme
Nachmittags erfolgte ein Bustransfer in die Stadt Vojens. Dort besichtigte die Gruppe den saisonalen Erdbeckenspeicher des Fernwärmeversorgers Vojens Fjernvarme, einen der größten unterirdischen Wärmespeicher überhaupt mit einem Fassungsvermögen von 200.000 m3. Das Unternehmen ist genossenschaftlich organisiert und betreibt u.a. auch eine Solarthermieanlage mit einer Kollektorfläche von 70.000 m2. Das Wasser des Wärmespeichers ist durch einen Wärmetauscher vom Fernwärmewasser getrennt. Die Oberfläche des Wassers ist durch eine Auskleidung und ein isoliertes Abdeckungs- und Entwässerungssystem abgedeckt. Aus dem Speicher kann rund ein Viertel des Wärmejahresbedarfs der Stadt (knapp 8.000 Einwohner*innen) gedeckt werden. Dänemark ist führend im Einsatz von Erdbeckenspeichern, wobei diese in der Regel als Multifunktions-Wärmespeicher genutzt und beispielsweise mit industrieller Abwärme oder Sonnenkollektoren betrieben werden.
Wärmegenossenschaft Fællesvarme Hunderup-Sejstrup
Die nächste Station war die Wärmegenossenschaft Fællesvarme Hunderup-Sejstrup. Bereits 1996 hatte sich der Verein Hunderup-Sejstrups Framtid gegründet, u.a. um die Entwicklung der Doppelgemeinde mit 800 Einwohner*innen und die Energiewende voranzubringen. So realisierten die Bürger*innen der Gemeinde 2021/2022 den Bau einer PV-Freiflächenanlage mit 400 kW auf 3.600 m2. Die Investitionskosten beliefen sich auf rund 2 Mio. DKK (268.000 EUR). 1.350.000 DKK (181.000 EUR) wurden durch die Bürger*innen als Eigenkapital aufgebracht. Es engagierten sich viele Bürger*innen freiwillig, um das Projekt zu realisieren. Kurz vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entstand die Idee, ein Nahwärmenetz zu entwickeln, wobei möglichste viele Haushalte gewonnen werden sollten, die bereit waren, von individuellen Gas- oder Ölkesseln auf eine Nahwärmeversorgung umsteigen. Das Fernwärmeunternehmen in der nahegelegenen Stadt Esbjerg lehnte auf Anfrage den Bau eines Wärmenetzes u.a. wegen der geringen Wärmeanschlussdichte ab. Die Bürger*innen gründeten daraufhin eine Energiegenossenschaft, um das Vorhaben als Gemeinschaftsprojekt zu realisieren. Es gab hierzu mehrere Informationsveranstaltungen und viele Haustürgespräche. In Kooperation mit dem Planungsbüro & green project wurde das Nahwärmenetz umgesetzt. Die Wärme wird durch mehrere Wärmepumpen bereitgestellt, die an der Landwirtschaftsschule installiert werden. Zusätzlich wurde ein Gaskessel für die Abdeckung von Spitzenlasten installiert. Bis zum 1. August 2022 konnten sich die Bürger*innen kostenlos für einen Anschluss entscheiden, danach war eine Anschlussgebühr fällig. Bedingt durch die stark steigenden Gaspreise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine war die Nachfrage nach einem Nahwärmeanschluss hoch. Bisher haben sich ungefähr 100 Haushalte für einen Nahwärmeanschluss entschlossen. Im Januar 2024 betrug der Fernwärmepreis der Genossenschaft durchschnittlich 775 DKK/MWh (103,90 EUR/MWh), was jährlichen Kosten für ein Standardeinfamilienhaus (130 m2, Jahresverbrauch 18,1 MWh) von 24.778 DKK (ca. 3.321,90 EUR) (incl. USt) entspricht (Quelle).
Fernwärmeunternehmens Din Forsyning Varme A/S in Esbjerg
Der zweite Tag der Delegationsreise begann mit einem Besuch des Fernwärmeunternehmens Din Forsyning Varme A/S in Esbjerg. Claus A. Nielsen, Direktor für Business Development, widmete seinen Vortrag der Transformation des Wärmeversorgungssystems in Esbjerg. Die dänische Hafenstadt an der Nordseeküste mit 72.000 Einwohner*innen war bis vor Kurzem noch stark geprägt von der Öl- und Gasindustrie. In den vergangenen 15 Jahren erlebte die Stadt jedoch einen Strukturwandel und entwickelte sich zu einem führenden Standort der Offshore-Windindustrie. 95 Prozent der Haushalte und Gewerbebetriebe sind heute in Esbjerg an Fern- bzw. Nahwärmenetze angeschlossen. Die Wärmeversorgung Esbjergs basierte seit 1992 vor allem auf Fernwärme, die in einem steinkohlebefeuerten Heizkraftwerk (350 MWth) des dänischen Energiekonzerns Ørsted erzeugt wurde, sowie der thermischen Verwertung von Abfällen. Die jährlichen CO₂-Emissionen des Kraftwerks beliefen sich auf 120.000 Tonnen was den Emissionen von ca. 50.000 PKWs entspricht. Im Zuge der Dekarbonisierung des Energiekonzerns wurde das Kohlekraftwerk im August 2024 stillgelegt.
Meerwasser-Großwärmepumpe für Fernwärmeversorgung
In den vergangenen Jahren arbeitete das örtliche Fernwärmeunternehmen Din Forsyning an einer Strategie, um die Fernwärmeversorgung der Stadt auch nach der Abschaltung des Heizkraftwerks aufrecht zu erhalten. Die Fernwärmegesellschaft befindet sich im Eigentum der Kommunen Esbjerg und Varde. Herzstück der Strategie ist die neue Meerwasser-Großwärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 70 MW, welche im Verbund mit weiteren Erzeugungs- und Speicheranlagen in Zukunft die Wärmelieferungen des Kohlekraftwerks ersetzen soll. Die Großwärmepumpe liefert seit 2023 heißes Wasser für die Versorgung von 27.000 Haushalten. Pro Sekunde werden bis zu 4.000 Liter Meerwasser von Pumpen im Hafenbecken in sechs Metern Tiefe angesaugt, je nach Jahreszeit mit einer Temperatur zwischen 0 und 20 Grad Celsius. An Land wird dem Meerwasser Wärme entzogen. Diese Wärme wird wiederum von einem Kältemittel - in diesem Fall Kohlendioxid - aufgenommen, das dabei verdampft. Anschließend verdichten Kompressoren das Kohlendioxid. Dabei erhitzt es sich weiter. So lassen sich durch die Kompressoren hohe Temperaturen bis zu 90 Grad Celsius erreichen. Mit der entstehenden Wärme wird schließlich das Wasser für das Fernwärmesystem erhitzt. Das abgekühlte Meerwasser landet über Rohre rund 700 Meter entfernt wieder in der Nordsee.
Die Technik stammt von der Volkswagen-Tochter MAN Energy Solutions (MAN ES). Das zirkulierende Kältemittel ist Kohlendioxid. Der Strom kommt überwiegend von den Offshore-Windparks vor der dänischen Nordseeküste. Pro Kilowattstunde Strom wird in der Anlage dreimal so viel Wärme erzeugt. Kohlendioxid gilt insofern als relativ risikoarmes Kältemittel als bei Leckagen die Gefahren für die Ökologie des Wattenmeers geringer sind als bei anderen Kältemitteln. Es lässt sich auf bis zu -5 Grad Celsius abkühlen, um selbst Wassertemperaturen um den Gefrierpunkt nutzen zu können. Bei der Kompression kann es mehr als 100 Grad Celsius erreichen. Die zentralen Komponenten bestehen aus Titan, um sie vor Korrosion durch das Meerwasser zu schützen. Die Anlage soll jährlich ca. 235 GWh Wärme liefern und zugleich die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung durch Sektorenkopplung voranbringen. Esbjerg hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein.
Zur Deckung der Wärmelast an kalten Wintertagen wird die Wärmepumpe durch weitere Anlagen ergänzt. Hierzu gehören ein Holzhackschnitzelheizwerk mit einer thermischen Leistung von 60 MW sowie ein neuer Wärmespeicher mit einem Volumen von 45.000 m3 Wasser. Weiterhin wird das Fernwärmenetz von einem elektrischen Kessel mit 40 MW Leistung gespeist sowie von einem Heizwerk, das über zwei 50-MW-Kessel verfügt, die mit Biodiesel laufen.
Die Wärmepumpe kann flexibel betrieben werden und soll auch Regelenergie auf dem Strommarkt liefern. Das Unternehmen will die Wärmepumpe abhängig vom Strompreis fahren. Bei hohen Börsenstrompreisen soll die Wärmepumpe heruntergefahren werden und der Biomassekessel einen Teil der Arbeit übernehmen. Die Investitionskosten liegen bei rund 250 Millionen EUR. Im Januar 2024 betrug der Fernwärmepreis des Unternehmens 871 DKK/MWh (116,75 EUR/MWh), was jährlichen Kosten für ein Standardeinfamilienhaus (130 m2, Jahresverbrauch 18,1 MWh) in Höhe von ungefähr 19.563 DKK (ca. 2.622,20 EUR (incl. USt) entspricht. Gegenüber Januar 2021 bedeutete dies fast eine Verdopplung.
Das Heizwerk der Wärmegenossenschaft Egtved Varmeværk in Egtved
Die letzte Station war die Wärmegenossenschaft Egtved Varmeværk in der Stadt Egtved. Anders Rønshof, Vorstand der Wärmegenossenschaft, stellte das örtliche Heizwerk vor, welches Heißwasser für die Raumheizung und Warmwasserbereitung in Wohn- und Geschäftsgebäuden bereitstellt. Das Heizwerk basiert auf einem seit 2022 betriebenen 2-MW-Biomassekessel der dänischen Firma Linka und einer Wärmepumpe. Biomassekessel und Wärmepumpe decken ungefähr 70 Prozent der Wärmeerzeugung ab. Bereits seit 2015 betreibt die Genossenschaft ein Solarthermieanlage in unmittelbarer Nähe mit einer Kollektorfläche von 12.000 m2. Diese trägt mit ca. 24 Prozent zur jährlichen Wärmeerzeugung bei. Ein Elektrokessel sowie zwei erdgasbetriebene Anlagen dienen der Abdeckung von Spitzenlasten und Reservehaltung.
Stroh und Holzhackschnitzel als Hauptbrennstoffe für Biomasseanlage
Hauptbrennstoffe der Biomasseanlage sind Stroh und Holzhackschnitzel, es können aber auch andere Biomassen wie Getreide und Samenschalen verwendet werden. Dies ermöglicht eine hohe Flexibilität bei der Beschaffung des Brennstoffs vor Ort. Der Brennstofftransport erfolgt über einen automatischen Brückenkran, der den Strohtisch beschickt, und ein Schubbodensystem, das die Holzspäne in den Kessel befördert. Der Brennstoff wird über eine Schnecke in die Brennkammer befördert. Am Ende der Brennkammer befindet sich ein beweglicher Stufenrost, der mit Hilfe von Hydraulikzylindern bewegt wird. Hier wird die Verbrennungsluft im Gleichstromprinzip zugeführt. Die integrierte Wärmepumpe (2,1 MW) ist eine Komplettlösung, die Energie aus Außenluft und Wasser aufnehmen kann. Das Wärmepumpensystem ist so konzipiert, dass mehrstufig sowohl bei Volllast als auch bei reduziertem Betrieb eine hohe Effizienz erreicht wird. Durch den integrierten Einsatz von Biomasseheizwerk und Wärmepumpe ist eine hohe Flexibilität gewährleistet, da die Biomasse verbrannt werden kann, wenn das Strompreisniveau hoch ist, während die Wärmepumpe in Phasen niedriger Strompreise zum Einsatz kommt. 2021 konnte das Unternehmen seine jährlichen CO₂-Emissionen um 14.000 Tonnen reduzieren. Darüber hinaus konnte im darauffolgenden Betriebsjahr der durchschnittliche Verbraucherpreis für Wärme vorübergehend gesenkt werden. Im Januar 2024 betrug der Fernwärmepreis 776 DKK/MWh (104,01 EUR/MWh), was jährlichen Kosten für ein Standardeinfamilienhaus (130 m2, Jahresverbrauch 18,1 MWh) in Höhe von 18.401 DKK (ca. 2.466,45 EUR (incl. USt) entspricht (Quelle). Gegenüber Januar 2021 bedeutete dies eine Erhöhung um 12 Prozent.
Erkenntnisse – Fern- und Nahwärmeversorgung in Süddänemark
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Ca. zwei Drittel der Haushalte in Dänemark sind an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen, teilweise schon seit Jahrzehnten. Dies erleichtert die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger und zukunftsfähige Technologien. Die dänischen Wärmenetze werden zu fast 77 Prozent aus erneuerbaren Wärmequellen und Abwärme gespeist. In Deutschland überwiegen individuelle Heizungssysteme auf Basis von Erdgas und Heizöl, der Fern-/Nahwärmeanteil liegt im Schnitt bei 14 Prozent (Quelle), wobei 30 Prozent der erzeugten Fern-/Nahwärme aus erneuerbaren Energien und Abwärme gewonnen werden.
- Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung wird in Dänemark systematisch vorangetrieben. Seit 2013 dürfen in Neubauten, die nicht an Fernwärmenetze angeschlossen sind, keine Öl- und Gasheizungen mehr installiert werden. Seit 2016 sind auch Ölheizungen in Bestandsgebäuden in der Regel nicht mehr erlaubt. Hohe Steuern und Abgaben auf fossile Brennstoffe fördern die Dekarbonisierung und Investitionen in Erzeugungsanlagen und Netzinfrastruktur. Hinzu kommen günstige Kredite, die durch kommunale Bürgschaften abgesichert werden können.
- In Reaktion auf den Ukraine-Krieg und die Energiepreiskrise 2022 mussten die Kommunen in Dänemark neue Wärmepläne erstellen, um Gebiete zu identifizieren, die noch an Fern- bzw. Nahwärmenetze angeschlossen werden können. Das Verbrennen von Erdgas zu Heizzwecken soll ab 2030 verboten werden. Auch erdgasbefeuerte Heizwerke müssen bis 2030/2035 alternative Lösungen finden.
- In Dänemark besteht für Wärmenetze kein Anschluss- und Benutzungszwang. Wer jedoch in einem fern-/nahwärmeanschlussfähigen Gebiet wohnt, bekommt keine staatliche Förderung für eine eigene Wärmepumpe. Der Zuschuss beträgt ansonsten rund 2.700 EUR. Den gleichen Betrag erhalten die Fernwärmegesellschaften für jeden Neuanschluss.
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Den Fernwärmeversorgern ist es nicht erlaubt, Gewinne zu erwirtschaften, die Unternehmen müssen jedoch kostendeckend arbeiten. Überschüsse werden an die Verbraucher*innen in Form reduzierter Wärmetarife oder im Falle der Genossenschaften als Dividende zurückgegeben.
- Die genossenschaftlich organisierten Wärmeunternehmen sind in der Rechtsform einer haftungsbeschränkten Genossenschaft nach dänischem Recht (a.m.b.a.) organisiert. Die Versorger befinden sich im Kollektiveigentum der Verbraucher*innen, die mit eigenen Einlagen Genossenschaftsanteile erwerben. Die kommunalen Wärmeversorger sind überwiegend als Aktiengesellschaften organisiert.
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Im Gegensatz zu Deutschland sind in Dänemark die Preise leitungsgebundener Wärme reguliert. Dabei werden die Preise durch die zuständige Regulierungsbehörde geprüft. Die Bestimmung der Preise unterliegt vorgegebenen Preiskalkulationsrichtlinien.
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Ein elementarer Unterschied zu Deutschland ist der Non-Profit-Grundsatz. Bei Neuinvestitionen in die Infrastruktur sind die Wärmeunternehmen verpflichtet, eine umfassende sozioökonomische Bewertung vorzunehmen, die auch die Auswirkungen auf die Wärmepreise berücksichtigt. Investitionen in die Infrastruktur dürfen nur getätigt werden, wenn sie nachweislich zu günstigeren Preisen führen als alternative Formen der Wärmeversorgung. Transparenzvorschriften und regelmäßiges Benchmarking der Wärmepreise helfen, die Preise niedrig zu halten.
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Die besuchten Projekte zeichnen sich durch einen systemischen Ansatz und hohen Integrationsgrad aus. Dabei wird stark auf Sektorenkopplung gesetzt. In Deutschland ist die Herangehensweise oft noch fragmentiert, wobei eher die Optimierung einzelner Systemkomponenten im Vordergrund steht.
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Die Wärmewende wird in Dänemark von einem breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens getragen. Pragmatismus, Kooperationsbereitschaft und Gemeinwohlorientierung haben einen hohen Stellenwert.
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Für langfristige Investitionen in den Ausbau der klimaneutralen Wärmeversorgung spielt das Finanzierungsinstitut KommuneKredit eine wichtige Rolle. Dieses bietet Unternehmenskredite zu günstigen Konditionen. Die Gemeinden können darüber hinaus Kreditbürgschaften gewähren. In Deutschland setzt das jeweilige Kommunalrecht der Bundesländer enge Grenzen für Kommunalbürgschaften. Die Landesregierung in Schleswig-Holstein hat 2023 das Bürgschaftsprogramm Wärmenetze in Höhe von 2 Mrd. EUR aufgelegt. Mit der Abwicklung wurde die Treuhandabteilung der Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein betraut.
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Eine Übertragung des ‚dänischen Modells‘ auf Deutschland ist nicht ohne weiteres möglich, jedoch lassen sich einzelne Elemente adaptieren. Mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung sowie der Bundesförderung Effiziente Wärmenetze (BEW) wurden wichtige Grundlagen geschaffen, um den Neubau von Wärmenetzen mit hohen Anteilen erneuerbaren Energien und die Dekarbonisierung von bestehenden Netzen voranzutreiben. Auch die CO₂-Bepreisung im Gebäude- und Verkehrsbereich in Deutschland und der ab 2027 geplante Emissionshandel für diese Sektoren gehen grundsätzlich in die richtige Richtung, wobei eine flankierende soziale Abfederung nötig ist.
- Am schnellsten scheinen Lösungen im technologischen Bereich transferierbar, wie solare Wärmenetze, Langzeitspeicher, (Meerwasser-)Großwärmepumpen etc. Meerwasser-Wärmepumpen sind u.a. in Flensburg, Kiel und Neustadt i.H. in Planung. In Meldorf wurde Ende 2023 der erste Erdbecken-Wärmespeicher nach dänischem Vorbild mit einem Fassungsvermögen von 43.000 m³ in Betrieb genommen. Im Quartier "Neuwerk Süd" entstand durch die Stadtwerke Rendsburg der größte Eis-Energiespeicher nördlich der Elbe. In Schleswig haben die Stadtwerke einen Erdeisspeicher in Verbindung mit einem kalten Nahwärmenetz errichtet. Power to Heat und andere Sektorenkopplungs-Projekte werden in mehreren Gemeinden in Schleswig-Holstein umgesetzt. Es gibt auch Beispiele für genossenschaftliche Nahwärmenetze (bspw. Honigsee, Hürup). Im Rahmen des Projektes bewirk organisiert die Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein die Exkursionsreihe bewirk on Tour - Gemeinsam quer durchs Land fürs Klima zu einigen der genannten Projekte in Schleswig-Holstein.