Synthetische Dünger schädigen das Klima – die industrielle Landwirtschaft ist jedoch stark an sie gebunden. Wegen der gestiegenen Preise für Dünger sind auch Lebensmittel deutlich teurer geworden. Besonders betroffen sind afrikanische Länder, in denen Ernährungskrisen auf Schuldenkrisen treffen.
Es gibt einige Gründe für den rasanten Anstieg der Preise bei synthetischen Stickstoffdüngern. Zum Beispiel: unterbrochene Lieferketten im Zuge der Corona-Pandemie und Ausfuhrbeschränkungen aus China und Russland, die zu einer zeitweisen Verknappung des Angebots auf dem Weltmarkt führten. Russland etwa hat seit Mitte des Jahres 2021 Exporte außerhalb des eurasischen Wirtschaftsraums eingeschränkt. Eine zentrale Rolle spielen außerdem hohe Preise für die fossilen Energieträger Erdgas, Öl und Kohle, die für die Produktion von Stickstoffdünger benötigt werden. Die Folgen der gestiegenen Düngerpreise sind auch an der Supermarktkasse zu spüren: Im März 2022 erreichte der weltweite Lebensmittelindex, der auf den Preisen für eine Gruppe landwirtschaftlicher Rohstoffe beruht, sein Allzeithoch. Einer Studie zufolge verteuert die Verdoppelung der Düngerpreise bestimmte Rohstoffe zur Erzeugung von Nahrungsmitteln (wie etwa Getreide, Pflanzenöle oder Milch) im globalen Durchschnitt um 44 Prozent. Die Zahlen gehen auf die Ernährungskrise 2007 und 2008 zurück, in der durch gestiegene Preise nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit bis zu 100 Millionen Menschen zusätzlich Hunger litten.
Zentral bei der Herstellung von Stickstoffdüngern ist das Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte Haber-Bosch-Verfahren. Unter Temperaturen von bis zu 500 Grad Celsius und unter hohem Druck wird aus Wasserstoff und Stickstoff künstlicher Ammoniak hergestellt – kein Prozess zur Herstellung von Industriechemikalien verursacht größere Emissionen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO₂). Allein die Wertschöpfungskette von Stickstoffdünger ist für 2,1 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Etwa ein Drittel davon wird durch die Herstellung verursacht. Zum weltweiten Energieverbrauch trägt die Ammoniaksynthese jedes Jahr zwischen 1 und 3 Prozent bei. Aufgrund der energieintensiven Herstellung ist der Stickstoffdüngerpreis zu rund 90 Prozent an den Erdgaspreis gekoppelt.
Russland und China hatten während der Corona-Pandemie die Ausfuhrverbote für Dünger in einige Regionen wie Westeuropa und Indien verhängt, um die heimische Landwirtschaft besser vor steigenden Düngerpreisen zu schützen. Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine führten Gefechte rund um die Schwarzmeerhäfen, die für den Düngerhandel bedeutsam sind, zu einem abrupten Stopp vieler Handelsaktivitäten. Zeitgleich drosselte die europäische Düngerindustrie wegen des steigenden Erdgaspreises ihre Produktion vorübergehend um bis zu 70 Prozent. Das Ergebnis waren Lieferengpässe und weiter steigende Preise. Der größte Gewinner dieser Preissteigerungen war neben der Öl- und Gasindustrie die Düngerindustrie selbst – die neun größten Hersteller erreichten 2022 im Schnitt eine Gewinnmarge von 36 Prozent.
Aufgrund der weltweit ungleich verteilten Herstellungskapazitäten ist vor allem der Globale Süden abhängig vom Import synthetischer Dünger – die Länder Afrikas südlich der Sahara importieren zum Beispiel durchschnittlich 80 Prozent ihres Düngerbedarfs. Dadurch sind sie durch Preiskrisen besonders betroffen. In Kenia stiegen die Preise für Dünger zwischen 2020 und 2022 um mehr als 150 Prozent, und mit ihnen die Preise für Grundnahrungsmittel. Um Landwirt*innen und die Ernährungswirtschaft von diesen Kosten (teilweise) zu entlasten, subventionieren viele afrikanische Regierungen Dünger. Diese Notfallsubventionen belasten die öffentlichen Haushalte häufig stark. In Malawi führten steigende Kosten für Dünger während der Ernährungskrise im Jahr 2007 und 2008 dazu, dass die Subventionen für Dünger von 8 Prozent auf 16 Prozent des gesamten Staatshaushalts anstiegen. Beinahe verdreifacht hat sich seit 2013 der Prozentsatz der Länder mit niedrigem Einkommen, die zahlungsunfähig oder von Zahlungsunfähigkeit bedroht sind. Laut dem Internationalen Währungsfonds IWF stehen rund 20 Länder vor einer gleichzeitigen Schulden- und Nahrungsmittelkrise, darunter Kamerun, Äthiopien, Somalia und Sudan.
Weit verbreitet ist die Annahme, dass hohe Erträge, die durch den Einsatz chemisch-synthetischer landwirtschaftlicher Produktionsmittel wie Kunstdünger oder Pestizide erzielt werden, zu weniger Hunger führen. So klar ist dieser Zusammenhang aber nicht. Das zeigt etwa der Blick auf Sambia. Das Land hat den höchsten Düngereinsatz in Afrika südlich der Sahara, im Fünf-Jahres-Mittel 65 Kilogramm pro Hektar. Und zählt zu den sechs Staaten Afrikas mit den höchsten Pro-Hektar-Erträgen für Getreide. Auf dem Welthungerindex 2022 rangiert Sambia trotzdem auf den hintersten Rängen; Mangelernährung gilt als großes Problem. Zur Ernährungssicherheit trägt der großflächige industrielle Anbau von Mais und Soja in Sambia entsprechend nicht bei.